Liebeserklärung an die Südstadt

19.9.2017, 21:00 Uhr
Liebeserklärung an die Südstadt

© Foto: Karen Köhler

Über die Kleeblattstadt sind einige hübsche Bücher erschienen. Unverzichtbarer Bestandteil derselben: Bilder von Rathaus und Stadttheater, von St. Michael und der Altstadt drumherum. Dazu die Blumenpracht im Stadtpark, Archivbilder vom abgerissenen Gänsberg, glorreiche Momente im Ronhof, Stimmungsvolles vom jüdischen und christlichen Friedhof, Idyllisches vom Pegnitz- und Regnitzgrund . . .

Nur die Südstadt fristet ein ästhetisches Schattendasein. Klar, da gibt’s auch nette Architektur, Industriegeschichte vor allem und Deutschlands einziges Sudhaus im Jugendstil. Aber sonst? Diese Lücke schließt nun die Fotografin Karen Köhler und nimmt den Betrachter mit auf einen fotografischen Streifzug. In 15 Kapiteln, zu denen 13 Autoren Texte beigesteuert haben, erforscht die gebürtige Hamburgerin Geschichte, Gegenwart und Alltagskultur zwischen Bahnlinie und Kalb-Siedlung.

Das beginnt mit Archiv- und Luftaufnahmen von vor über 100 Jahren, als St. Paul und St. Heinrich hier fast ganz allein auf weiter Flur standen und mit Neogotik und Neobarock Historie vorgaukelten. Die Kirchen haben sich prächtig gehalten, ebenso viele Häuser der Gründerzeit, deren historisierende Architektur mit Erkern, Türmchen, Giebeln, Treppenhäusern und offenen Balkonen es der Fotografin sichtlich angetan hat.

Die Industrie war der treibende Motor in der Südstadt mit ihrer Mischung aus Villen, Gasthäusern und Arbeitersiedlungen. Besondere Hingucker sind natürlich das Logenhaus der Freimaurer und die Kaserne, in der erst die bayerische Artillerie und später die US-Armee hauste — und somit eine kleine Stadt in der Stadt bildeten.

Ein eigenes Kapitel nimmt das Bier ein, das architektonisch nicht nur mit dem Humbser-Brauhaus seine Spuren hinterlassen hat, sondern auch mit urigen, die Zeiten überdauernden Kneipen wie dem "Blauen Affen" in der Flößaustraße oder sogenannten Gassenschänken: Aus ihnen reichte der Wirt das Bier aus einem bestimmten Fenster zur Straße hinaus.

Nicht nur die Kaserne und das "Little America" aus der US-Zeit haben eine Konversion zum Wohnraum durchgemacht, auch zahlreiche Industriegebäude wandelten sich – etwa die Carrera-Werke, das Metz-Haus (heute Tanzerei) oder die Eckart-Werke. Auch der infra, die ganz Fürth mit Strom und Gas versorgt, ist ein eigenes Kapitel gewidmet.

Und schließlich rückt noch ein Viertel in den Blick, das sonst fast gänzlich unter den Tisch fällt, weil es so versteckt in der Senke am Rand des Rednitzgrunds liegt: Das Dorf Weikershof mit seinen Wiesen und Gehöften – direkt unterhalb der weniger schmucken Gewerbegebiete.

Karen Köhler: "Auf in den Süden! Die Geschichte der Fürther Südstadt", 244 Seiten, ab 28. September im Buchhandel

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