Lieder der Frauen, Melodien ohne Gesang

17.3.2018, 16:27 Uhr
Lieder der Frauen, Melodien ohne Gesang

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Der Saal steht Kopf, die Menge klatscht mit, singt mit und eilt dem Stand entgegen, wo es die CDs zum Konzert gibt. Zum Abschlusskonzert. So war das immer in knapp 30 Festivaljahren. Doch die eingetretenen Pfade sind heuer eher nicht Sache von Festivalchefin Claudia Floritz und ihrem Team. An diesem Sonntag um 19.30 Uhr kommt manches, wenn nicht alles anders. Ein astreines klassisches Konzert voller Musik, die nicht unbedingt zum Mitpfeifen reizt.

Eine der maßgeblichen zeitgenössischen deutsch-jüdischen Stimmen ist das Orchester Jakobsplatz München (OJM) — eine Adresse, die seit 2006 Sitz der Hauptsynagoge, des Gemeindehauses und des Jüdischen Museums der Landeshauptstadt ist. Leiter des Ensembles, dessen jüdische und nicht-jüdische Musiker aus über 20 Ländern stammen, ist Daniel Grossmann. Das Repertoire besteht vorwiegend aus jüdischer Musik mit starkem Bezug zur Gegenwart; so vergibt das OJM regelmäßig Kompositionsaufträge.

Im Mai 2017 hatte Moritz Gagerns 70-minütiges Werk "Nigunim für Orchester" — "Nigunim" heißt "Melodie ohne Gesang" — in München Uraufführung. Der 1973 geborene Berliner Komponist forscht, inspiriert von Schallplattenaufnahmen der zwanziger Jahre, der alten, heute wenig bekannten Tradition des Klezmer nach und feiert zugleich seine Vielgestalt — als Hochzeitsmusik und virtuose Kunstform, die sich über Kulturgrenzen hinweg entwickelt hat. Eine zeitgenössische Definition von Klezmer, gegliedert in vier Akte, vom Junggesellenabschied über Hochzeit und Prozession zum Bankett und Brauttanz — und eine Spielart des Klezmer, die Dirigent Grossmann gelten lässt. In einem Interview äußerte er im Vorjahr: "Ich habe ein Problem mit der Musik, die man heute unter Klezmer versteht: Giora Feidmann, Klarinette und ein paar Schrammler. Das ist meiner Meinung nach eine verkitschte Version von Klezmer."

Zum zweiten Mal überhaupt erklingt Gagerns Werk an diesem Sonntag. Ihm geht die deutsche Erstaufführung des "Nigun für Bromberg" für Violine solo voran, komponiert und gespielt vom in Fürth lebenden polnischen Geiger Pawel Zaleijski, Primarius des renommierten Apollon Musagète Quartetts.

Der Samstag hingegen steht ganz im Zeichen des Abtanzens. Ein Wiederhören mit den Tornado-Klezmorin von Klezmafour — zu Gast waren sie auch 2012 und 2014 — gibt es um 19.30 Uhr im Kulturforum (Würzburger Straße 2), und um 22 Uhr beweisen zum zweiten Mal nach 2012 Ramzailech aus Tel Aviv, dass Klezmer und Hardrock einen Mix ergeben wie Nitro und Glycerin. Dass es auch leiser geht, führt das Trio Waks um die Hamburger Sängerin Inge Mandos vor beim 5 o’clock-Klezmer am Sonntag (17 Uhr) im kleinen Kufo-Saal.

Schauplatz zweier Führungen, die Teil des Festival-Begleitprogramms sind, ist der Alte Jüdische Friedhof am Sonntag um 11 ("Jüdisches Leben — damals und heute") und 14 Uhr ("Ein guter Ort — Der Alte Israelitische Friedhof).

Karten mit ZAC-Rabatt im FN-Ticket-Point (Schwabacher Straße 106, Tel. 2 16 27 77), ohne Rabatt an der Tages-/Abendkasse.

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