Eine Stadt voller Bücher

15.6.2015, 18:08 Uhr
Eine Stadt voller Bücher

© Foto: Hans Winckler

Nein, nach Druckerschwärze riecht diese Stadt nicht. XL-Verlagshäuser, Agenten, Autoren drehen ihre Runden weit jenseits von hier. Die Massen geraten denn auch nicht in Wallung, wenn man auf Fürther Boden ein Festival kreiert, das „Lesen!“ heißt — dessen ist sich Kulturamtsleiterin Claudia Floritz nicht erst seit der Premiere 2012 bewusst.

Dennoch hat „Lesen!“ binnen kurzer Zeit seine Fangemeinde gefunden; vielleicht, weil es „kein riesiges Wochenend-Event“ (Floritz) ist, sondern in elf Tagen „kleine Tupfer in der ganzen Stadt“ setzt. „Wir versuchen, mit einem offenen Konzept auch diejenigen zu gewinnen, die nicht unbedingt regelmäßig in einen Buchladen gehen“, so Floritz. Das gelingt immerhin dergestalt, dass sie den Ausstieg Fürths aus dem jährlichen Großraum-Literaturprojekt „LesArt“ 2011 nach wie vor für „absolut richtig“ hält. Autor nimmt Platz, schlägt Buch auf, liest, geht wieder: Was „LesArt“ auszeichnet, hat auch bei „Lesen!“ seinen Stellenwert, doch darüber hinaus wartet das Fürther Festival mit einem deutlich bunteren Konzept auf.

Das beginnt mit „StadtLesen! am 25. Juni. Vier Tage lang und jeweils elf Stunden am Stück dürfen wieder alle in der Adenaueranlage lesen, was die Bücherregale, bestückt mit zahlreichen Neuerscheinungen, hergeben. Abermals stehen Sitzsäcke bereit, sind Hängematten aufgespannt.

Am 27. Juni ist am selben Ort wieder die BuchmarktSchau, die, im Vorjahr erstmals ausprobiert, gut ankam; Buchhandlungen, Verlage aus dem Großraum, Illustratoren, Designer und Antiquariate stellen sich vor. Zwischen 14 und 18 Uhr geben sich zudem an jenem Wochenende die literarischen local heroes lesenderweise die Ehre — mit Gedichten (Christian Fritsche, Helmut Haberkamm, Tobias Falberg, Fitzgerald Kusz) am Samstag und Krimikost (Josef Rauch, Sigrun Arenz, Theobald Fuchs, Veit Bronnenmeyer) am Sonntag. Den Lyrik-Tag 27. Juni krönt abends um 20 Uhr im Kulturforum Jan Wagner, der Überraschungs-Gewinner des Leipziger Buchpreises 2015, mit Auszügen aus seinen „Regentonnenvariationen“.

Wie überhaupt Floritz und ihr Team für den Programmblock „Lesen! nach Leipzig“ ein glückliches Händchen bei der Auswahl der Autoren hatten; von den fünf Nominierten sind neben Gewinner Wagner Michael Wildenhain („Das Lächeln der Alligatoren“, 26. Juni, 20 Uhr, Kufo) und Norbert Scheuer („Die Sprache der Vögel“, 3. Juli, 20 Uhr, Kufo) dabei. Die Reihe komplettieren die sprachgewaltige Nora Gomringer (mit Schlagzeuger Phillip Scholz, 27. Juni, 22 Uhr, Kufo), die in Paris lebende deutsch-jüdische Schriftstellerin Gila Lustiger („Die Schuld der anderen“, 28. Juni, 20 Uhr, Kufo) und der begnadete Geschichtenerzähler Rafik Schami mit „Syriens schönste Hauptstadt“ (30. Juni, 20 Uhr, Kufo).

Nach 2013 wird es zum zweiten Mal einen Kirchen Poetry Slam geben, Gastgeber Michael Jakob bittet am 28. Juni um 19.30 Uhr in die Altstadtkirche St. Michael. Hinter Kirchenmauern spielen sich heuer auch jene Lesungen ab, für die Floritz stets nach einem ungewöhnlichen Ort Ausschau hält. Nach Küchen und Wohnzimmern kommen nun in der Reihe „Lesen! zum 18-Uhr-Geläut“ Gotteshäuser zum Zuge. Dekan Jörg Sichelstiel (Sakristei St. Michael, 29. Juni), die Pfarrerinnen Sabine Heider, Christiane Lehner-Erdmann, Stephanie Reuther und Irene Stooß-Heinzel (30. Juni, Maria Magdalena), das Duo Schaffenskrise (1. Juli, Orgelempore der Christuskirche Stadeln), Vikar Florian Höhne und Ute Baumann (2. Juli, Heilig-Geist, Kirchturm) und Pfarrer Martin Adel (3. Juli, Kirchturm St. Paul) begegnen dem Gebimmel mit der Macht der Worte. Aber nicht nur geistliche, sondern auch „Kinder Lesen!“, nämlich Grundschüler der Rosenschule, die selbstverfasste Geschichten über Haustiere am 26. Juni (10 Uhr) im Kinderbuchhaus (Theaterstraße 22) vortragen. Wieder im Programm ist „Fürther Nationen Lesen!“. Bürger unter anderem aus Äthiopien, Russland und Syrien tragen am 26. Juni (14-18 Uhr) im Café Caritasse (City-Center) Texte in ihrer Sprache vor, Übersetzung inklusive.

Ein programmatisches „Lesen!“Ziel ist das Nachspüren Fürther Literaturprofile. Heuer widmet sich das Festival dem in Fürth geborenen Verlagsgründer Leopold Ullstein — so liest Sten Nadolny (4. Juli, 20 Uhr, Kufo) aus seinem „Ullsteinroman“. Vorträge, Führungen und eine Ausstellung ergänzen den Programmschwerpunkt.

Das ausführliche, 114 Seiten starke Programmbüchlein — auch 2015 eine Lust auf Literarisches weckende Kreativ-Großtat von Stadtgrafikerin Susanne Altenberger — enthält zahlreiche Leseproben und liegt bei den Vorverkaufsstellen aus.

„Lesen!“ 2015: Karten für die Lesungen im Kulturforum (Würzburger Straße 2, 8,50/6,80 Euro) im FN-Ticket-Point (Rudolf-Breitscheid-Straße 19, Tel. 77 98 70).

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