Malerische Scheinbarkeiten

19.5.2016, 13:00 Uhr
Malerische Scheinbarkeiten

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Zwei Künstler, 34 Arbeiten. Der eine hat seine Werke im rechten Foyer aufgereiht. Die andere links davon. Warum sucht man eigentlich automatisch nach einem gemeinsamen Nenner? Wer sich die Hoffnung auf irgendetwas Verbindendes, auf ein Band zwischen den beiden Künstlern erfüllen möchte, hat aber gar nicht mal so schlechte Chancen.

Kein großer Spürsinn gehört zum Beispiel dazu, Tessa Wolkersdorfer genau wie Wolf Sakowski Spaß am ironischen Augenmaß zu unterstellen. Gemeinsam ist ihnen kaum weniger der geistreiche Umgang mit Anspielungen, Zitaten und Requisiten.

Sakowski, der in Nürnberg lebt und arbeitet, ist ein Meister darin, Ideen so lange zu verkürzen, bis bloß noch eine Quintessenz des ursprünglichen Gedankens aufploppt. Diese Art des homöopathischen Gestaltens bringt Werke wie „Terra Incognita“ hervor. Üppiger Raum in Weiß dominiert da. Was logisch erscheint. Wie soll man denn auch abbilden, was keiner kennt? Verknappt auch die Botschaften von „Adam und Eva (Vogue)“ und „Adam und Eva (Elle)“. Ein Apfel erscheint als weibliches Element auf dem einen Werk. Auf dem anderen prangt eine Kartoffel. Passt — und ist auf den ersten Blick kaum weniger plakativ als das Bild der Welt, das Hochglanz-Magazinen gerne zeichnen.

Mit Öl und Acryl bringt der 65-Jährige seine durch und durch originellen Arbeiten auf die Leinwand. Zum Witz gesellt sich bei ihm eine große ästhetische Anziehungskraft. Etwas unglaublich Beruhigendes geht etwa von dem hellen Blauton aus, der beinahe die gesamte Fläche von 1,20 auf 2,10 Meter seines größten Werkes einnimmt. Für Unruhe sorgen allein sieben Buchstaben: Venedig. Ein Name, der eine Bildexplosion im Kopf entfacht. Erst wenn imaginäre Gondeln, Masken, Kanäle und Fassaden im Hirn vorübergerauscht sind, fällt der Blick auf die rechte untere Bildecke. Da dümpelt ein Goldfisch in einem Glas, das auf der Seite liegt und sein Wasser nicht länger halten kann. Dumm gelaufen.

Tessa Wolkersdorfer bringt zusammen, was zunächst nicht recht harmonisch erscheinen will: Möbel und Naturphänomene. Ihre Fusion von drinnen und draußen kombiniert auf seltsam wenig verstörende Weise Kommode oder Bett mit Motiven, die man auch schon als Wohnzimmertapete gesehen hat. Ein Gefühl von Freiheit und Unabhängigkeit schwingt in diesen merkwürdigen Aufstellungen mit. Denn wo keine Normen gelten, entweicht erst einmal Druck. Den Objekten fehlt jede Bodenhaftung mit ihrer scheinbaren Umgebung, alles schwebt gleichsam im Ungewissen und ist unpassend in mehr Dimensionen, als man gerade aufzählen mag.

Wolkersdorfer, die 1982 in Nürnberg geboren wurde und Meisterschülerin bei Peter Angermann an der Kunstakademie war, gibt dem Betrachter mit ihrem vielstufigen Verwirrspiel die Chance, unterzutauchen in einer Welt, die augenscheinlich gerade erst beginnt, eigene Regeln aufzustellen. „Draußendaheim“ hat sie eine ihrer Werkreihen genannt, was mehr ist als eine feine Prise Ironie. Die aneinander gekettete Wortkombination klingt nach der Sorte Werbespruch, die zu tarnen versucht, was ohne Wahrheit und Sinn ist.

Bei der Künstlerin wird die vorgenommene Enthüllung zur Befreiung. Wenn sich nämlich tatsächlich alles und jedes so einfach miteinander paaren lässt, dann kann doch eigentlich jeder sein Ding ganz nach Wunsch machen. Der Schlüssel dazu liegt vielleicht in der Kommode, auf die Tessa Wolkersdorfer die roten Gummistiefel gepflanzt hat („Draußendaheim Stiefel und Haube“).

Die „Scheinbarkeiten“ die sie und Sakowski ins Stadttheater gebracht haben, verursachen jedenfalls mit großer Wahrscheinlichkeit ein beträchtliches Schau-Vergnügen. Wer sich einen Begriff davon machen möchte, hat bis 3. Juli Gelegenheit dazu.

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