Martin Luthers weibliche Fans

30.12.2016, 09:00 Uhr
Martin Luthers weibliche Fans

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Während der Lutherdekade im Vorfeld des 500-jährigen Reformationsjubiläums 2017 gab es bereits mehrere Ausstellungen zu dem Thema. Eine davon gastierte vor zwei Jahren in Stein. Andrea König, die Leiterin der Fachstelle für Frauenarbeit im Frauenwerk, war überrascht von der Resonanz: „In gerade zwei Wochen haben wir 350 Gäste durch die Ausstellung geführt.“ Nur vermisste die promovierte Theologin die süddeutschen Akteurinnen. „Nicht einmal Argula von Grumbach, die als erste Reformatorin Europas gilt, war dabei“, so König.

Stattliche Materialsammlung

Diese Lücke wollte sie schließen. So machte sich König mit ihren Mitarbeiterinnen Eva Glungler und Ulrike Knörlein daran, Bibliotheken und Archive zu durchforsten. Und was ursprünglich als Ausstellung mit Arbeitshilfen für Ehrenamtliche in der kirchlichen Bildungsarbeit gedacht war, wuchs sich zu einer stattlichen Materialsammlung aus. Auf an die 200 Frauennamen sind die Wissenschaftlerinnen gestoßen. Eine Vielzahl an Figuren und eine Fülle an Material, die in der Darstellung einzelner Biographien kaum zu berücksichtigen gewesen wäre. Was sich allerdings auch schwierig gestaltet hätte, denn Frauenleben dieser Zeit scheinen in historischen Quellen, wenn überhaupt, nur in Bruchstücken auf. Zeugnisse von Frauen galten als nicht überlieferungswert. Weshalb sich König für die Variante entschied, Themenblöcke zu bilden.

Am Ende stand nicht nur eine Ausstellung mit 15 zwei Meter hohen Schautafeln, sondern auch eine 256 Seiten starke Publikation, die Frauen der Reformationszeit in Süddeutschland beleuchtet, gleich ob Schriftstellerinnen, Adelige oder Nonnen. „Selbst jede einfache Frau hat auf ihre Art und Weise zur Reformation etwas beigetragen und sei es, indem sie auf dem Markt heimlich die verbotenen Schriften Luthers verkaufte oder zu einem evangelischen und nicht zu dem altgläubigen Prediger ging“, sagt König.

Es gibt diverse Altarbilder des Reformationsmalers Lucas Cranach, die Szenen mit evangelischen Predigern zeigen, belauscht von Frauen, die sich in vorderster Reihe drängen – und sich damit mutig zu ihrem Glauben bekannten, wenngleich sie damit auch ziemlichen Ärger riskierten: von Schlägen des eigenen Gatten über Spott oder Diskriminierung im Umfeld bis hin zu von der Obrigkeit auferlegten Strafen.

In der Anfangsphase der Reformation wurde der Glaubensstreit offen und lautstark in den Kirchen ausgetragen. Frauen hatten keine Scheu, Ordensmitglieder und Geistliche zu kritisieren und auch zu beleidigen. Luthers Credo „der Klosterstand – Gott unbekannt“ entsprechend, wurden Mönche und Nonnen auf offener Straße beschimpft und mit Steinen oder Essen beworfen. Ein beliebtes Mittel des Protests speziell von Frauen war, im Messgottesdienst Unruhe zu stiften. Man verabredete sich in Kirchen, um als Gruppe mit lautstarkem Gesang die Eucharistie zu stören.

Einige wenige Namen solcher Störenfriede sind überliefert, Ottilie von Gersen etwa. Die Ehefrau des radikalen Reformators Thomas Müntzer wurde ob solcher „unlustigen“ Handlungen festgenommen, auf Kaution allerdings wieder freigelassen. Im Nachgang wollte der Herzog Strenge walten lassen, doch da hatte sich Ottilie der drohenden Einkerkerung bereits durch Flucht entzogen.

Ein Affront

Die aus dem heutigen Beratzhausen stammende Argula von Grumbach zum Beispiel war über Nacht zu einem Star der Flugschrift-Verfasser geworden, nachdem sie sich für einen jungen Gelehrten der erzkatholischen herzoglichen Uni Ingolstadt eingesetzt hatte. In dessen Wohnung fand man lutherische Schriften, woraufhin er verbannt wurde. Argula verfasste ein Sendschreiben an Universität und Herzog, in dem sie sich offen zu ihrem lutherischen Glauben bekannte. Gleichzeitig forderte sie die Ingolstädter Theologen auf, mit ihr – einer Frau – zu diskutieren, und zwar nicht in der für den wissenschaftlichen Diskurs der Gelehrten reservierten lateinischen Sprache, sondern in Deutsch und auf Basis der Schrift sowie öffentlich. Das war ein Affront.

Der Brief wurde als Flugschrift gedruckt und zur Sensation. Argula selbst bescherte ihr Einsatz viele Scherereien: Ihre Verwandtschaft stellte sich gegen sie, ihre Gegner diffamierten sie als „Teufelin von Dietfurt“. Ihr Mann verlor seine herzogliche Anstellung. Bayerns Herzöge legten ihm nahe, seiner Frau doch die Finger abzuschlagen oder, besser noch, sie gleich zu erwürgen.

Die Ausstellung „Vom Dunkel ins Licht – Frauen der Reformation im süddeutschen Raum“ kann übers Frauenwerk gebucht werden; Internet: www.fachstelle-frauenarbeit.de. Dort finden sich auch Ausstellungsorte und -termine. Der Begleitband zur Wanderausstellung gleichen Titels von Andrea König, Eva Glungler und Ulrike Knörlein ist für 10 Euro in der Fachstelle für Frauenarbeit, Deutenbacher Straße 1, Stein, oder im Buchhandel (ISBN 978-3-00-054310-4) erhältlich.

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