Michaelis-Kirchweih: Unesco-Experten sind beeindruckt

13.10.2015, 06:00 Uhr
Michaelis-Kirchweih: Unesco-Experten sind beeindruckt

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Dagnija Baltina und Rut Carek dürften die weiteste Anreise zum Festzug gehabt haben, doch der Weg hat sich offenbar gelohnt: Die Unesco würdige mit dem Titel „immaterielles Kulturerbe“ Traditionen, die „nicht festgefroren“ sind, sondern von der Bevölkerung weiter gelebt werden, erklären die beiden Expertinnen – und genau dies hätten sie in Fürth beobachten können.

Die beiden Frauen, Generalsekretärinnen der Unesco-Kommission in ihren Heimatländern Lettland und Kroatien, haben sich bereiterklärt, unabhängige Gutachten für die Bewerbungsmappe der Stadt Fürth zu schreiben. Im Rathaus hofft man, dass es das Paket aus Kirchweih und Festzug zunächst auf die bayerische Liste des „immateriellen Kulturerbes“ schafft und später in die nationale Auswahl oder gar auf die „repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit“. Anders als beim Weltkulturerbe geht es dabei nicht um Bauwerke, sondern um bemerkenswerte Feste und Bräuche.

Zwei Dinge haben die Expertinnen am Festzug besonders beeindruckt: die Vielfalt der Teilnehmer und die hohe Wertschätzung der Fürther für das Ereignis: „Es war toll, zu sehen, dass etwas, das seit Jahrhunderten existiert, von der Bevölkerung so sehr unterstützt wird“, sagt Rut Carek. Rund 125.000 Menschen haben nach Angaben von Polizei und Stadt die Strecke gesäumt.

Ihre Kollegin Dagnija Baltina war fasziniert davon, wie viele Facetten des städtischen Lebens zum Ausdruck kamen: Neben all den prächtigen Trachten und Bräuchen würden hier auch Menschen gefeiert, die zum Funktionieren einer Stadt beitragen: als Feuerwehrmann, Fleischer, Schreiner oder Landwirt. Der kirchliche Ursprung des Festes mische sich mit Aspekten der tägliche Arbeit und dem Dank für die Ernte. „Ich habe etwas Vergleichbares noch nicht gesehen“, sagt Carek.

Deutlich, so die beiden Gutachterinnen, die auch einen Rundgang über das Kirchweihgelände unternahmen, spüre man, wie sehr die Kärwa samt Festzug in Fürth verwurzelt sei. Auch die Offenheit für andere Kulturen — beim Festzug präsentieren sich seit langem auch türkische und griechische Vereine – habe ihnen gefallen.

Der dritte Gutachter, Wolfgang Wüst, zeigt sich ebenfalls angetan: Für den Erlanger Professor am Lehrstuhl für Bayerische und Fränkische Landesgeschichte steht der historische Aspekt im Mittelpunkt. Dem Festzug sehe man heute noch die Dreiherrschaft an, die Fürth über Jahrhunderte erlebte, meint er. Die Breite der Darbietungen erkläre sich damit, „das gibt es andernorts nicht so“. Es sei die gemeinsame Aufgabe der drei Herren – der Dompropstei Bamberg, der Ansbacher Markgrafen und der Reichsstadt Nürnberg – gewesen, den Markt als etwas Identitätsstiftendes zu gestalten. Man habe sich schon damals bemüht, die Bevölkerung „ins Boot zu holen“, das wirke bis heute nach: Das Fest sei ausgesprochen familienfreundlich, während bei Festen andernorts das Konsumverhalten im Vordergrund stehe.

Professor Michael Schmidt, Leiter des Masterprogramms World Heritage Studies an der TU Cottbus, der die Stadt Fürth bei der Bewerbung berät, teilt die Eindrücke des Trios: „Fürs immaterielle Erbe ist es ganz wichtig, dass eine Tradition in der Bevölkerung einen festen Platz hat, nicht nur in einer Nische.“ Und dass sich die Tradition weiterentwickelt. „Dieser Umzug ist nicht geschichtlich erstarrt.“ Er spiegele vielmehr gesellschaftliche Entwicklungen, so marschieren etwa Vertriebene mit oder eben auch die Vertreter der Städtepartnerschaften.

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