Mit der Leichtigkeit der Freiheit

30.11.2015, 21:00 Uhr
Mit der Leichtigkeit der Freiheit

© Foto: Bartmann

Was sie fasziniert, sind die Geschichten, die Lincoln in ihren Liedern erzählt, die Ideen, die sich aus Lebenserfahrung und Beobachtung speisen, die Gedankenspiele. Zum Beispiel über die Frage an ein neugeborenes Kind. Wo kommt es her? Was könnte es erzählen, wenn es denn erzählen könnte? Ein webendes, fast wässriges Klavierintro leitet dieses Lied ein; Kaiser spielt schlichte Töne auf einem Glockenspiel, das sie aus dem Kinderzimmer entwendet hat, und tritt dann in das imaginäre Gespräch mit dem Säugling.

Die Stimme der Berlinerin wirkt geradlinig, ohne Rauheit, dabei aber trotzdem warm. Der Jazzabend im kleinen Saal des Kulturforums mit Tino Derado (Klavier, Akkordeon) Andreas Henze (Bass) und Roland Schneider (Schlagzeug) fand an diesem Abend keinen großen Anklang, bei den Zuhörern aber große Resonanz: Liebhaber des Jazz und Fans von Kaisers eigenständigen, manchmal auch eigenwilligen Interpretationen. So etwa in „A turtle’s dream“, dem Traum einer Schildkröte, der natürlich in Wirklichkeit der des Menschen ist, sein Hang dazu, sich aus seinem eigenen Leben in ein anderes zu träumen, wie ein Adler zu schweben.

Es ist ein ungeheuer langsamer Song, mit einem Klavier, das die trägen Bewegungen der Wasserschildkröte nachempfindet, mit ausgiebigem Scatting in der Singstimme, das einen Blick in eine eigene, seltsame (Klang-) Welt bietet, eine Unterwasserwelt, in der alles ein wenig anders ist.

Es geht oft um Freiheit in Lincolns Liedern, die Freiheit von Erwartungen, die einen nur einengen, die Freiheit von Dingen, die einen nur zurückhalten. „Throw it all away“, heißt es in einem ihrer bekanntesten Songs, denn man kann nicht wirklich verlieren, was zu einem gehört. Kaiser singt das alles mit einer Leichtigkeit, die von Meisterschaft zeugt. Gleichzeitig bleibt da das Gefühl, dass es anstrengend ist, diese Songs in einem Konzertsaal zu hören, dass die Musik mehr Spaß machen würde, wenn man nicht aufmerksam zuhörte, sondern sie freiließe in einem Café, einem Nachtclub, auf einer Party.

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