Mit Türkisch zur besseren Deutsch-Note

6.3.2011, 10:00 Uhr
Mit Türkisch zur besseren Deutsch-Note

© Horst Linke

Für seine erste Türkisch-Stunde in Fürth hatte sich Kenan Eroglu eine kleine List ausgedacht: Etwa ein Dutzend Grundschüler saßen an dem Tag im Herbst 2009 vor ihm und er stellte sich ihnen vor — auf Deutsch und mit ein paar Fehlern mehr, als er beim Deutsch-Sprechen normalerweise macht. „Meine Fehler brachten die Schüler zum Lachen“, erinnert er sich. „Und ich habe ihnen gesagt, dass ich weiter deutsch reden werde, auch wenn ich Fehler mache — Hauptsache, ich habe den Mut zu sprechen, dann werde ich mich verbessern.“

Der Trick funktionierte: Die Kinder, sagt der 34-Jährige, hätten die Scheu, vor ihrem neuen Lehrer und vor einander türkisch zu sprechen, schnell abgelegt — auch weil sie merkten, dass sie alle ähnlich große Lücken hatten. Wie groß die Defizite tatsächlich waren, habe ihn erstaunt. „Die Sprachkenntnisse sind schlechter, als ich es erwartet hatte.“ 

Eroglu führt das darauf zurück, dass in vielen Familien zwar türkisch gesprochen wird, die Eltern aber oft nicht die Zeit haben, Wortschatz und Grammatik bewusst mit dem Nachwuchs zu üben. „Die Kinder verstehen viele Wörter, aber schreiben können sie sie nicht.“ Oft komme die Muttersprache den Eltern selbst auch nicht mehr perfekt über die Lippen, weil sie schon so lange nicht mehr in der Heimat leben.

Gefahr der Sprachlosigkeit

Für die Kinder hat das Folgen: „Wer die Muttersprache gut kann, entwickelt ein Gefühl für Sprache und tut sich auch beim Deutsch-Lernen leichter.“ Wer dagegen keine der beiden Sprachen richtig lerne, leide an einer Art „Sprachlosigkeit“, die sich auf alle Bereiche des Lebens auswirkt, „auf die Familie, auf Freundschaften, auf die Schule, den Beruf.“ Was der türkische Ministerpräsident Anfang der Woche sagte, findet Eroglu nicht falsch: „Eigentlich hat er doch das gesagt, was auch Sprachwissenschaftler sagen. Zuerst soll man die Muttersprache gut lernen, und dann ab dem Kindergarten deutsch.“ An seinen eigenen Söhnen sehe er, wie gut das funktioniert.

Mit den beiden Söhnen und seiner Frau ist Eroglu erst vor eineinhalb Jahren nach Deutschland gezogen. Der eine habe im Kindergarten ganz schnell Fortschritte gemacht, der andere in der Grundschule. „Sogar der Übertritt aufs Gymnasium ist möglich.“ Dass der Sohn Türkisch beherrsche, sei dafür ganz entscheidend gewesen: „So kann er Vergleiche ziehen, wenn er die deutschen Grammatikregeln lernt.“ 

Vom Migrantenkind zum Lehrer im Auftrag des Konsulats

Eroglu, der vor 25 Jahren selbst als Migrantenkind die Schulbank in Deutschland drückte, den Großteil seines Lebens aber in der Türkei verbrachte, ist für fünf Jahre als Türkisch-Lehrer im Auftrag des Konsulats in Fürth, um den so genannten „Muttersprachlichen Ergänzungsunterricht“ (MEU) anzubieten, den Schüler freiwillig besuchen können. Zurzeit zählt er insgesamt 110 Schüler in den Kursen, die er an acht Grundschulen und einer Mittelschule in Stadt und Landkreis anbietet.

Auch Christiane Racher, Rektorin der John-F.-Kennedy-Grundschule, an die Eroglu jeden Mittwoch kommt, hält den Unterricht für wichtig: „Wie soll man denn ein Gefühl für einen deutschen Satz haben, wenn man nie ein Sprachgefühl entwickelt hat?“ Angst, dass sich die Kinder nicht richtig integrieren, brauche man nicht haben, versichert Aydin Kaval vom Türkischen Kulturverein. „Eine zweite Sprache ist immer eine Bereicherung. Bildung hat doch noch nie jemandem geschadet.“

Um beide Sprachen, deutsch und türkisch, geht es auch Eroglu: Ein wenig einsam habe sich die Familie anfangs gefühlt, als sie nach Deutschland kam. Mit der Zeit aber habe man Freunde gefunden. „Das ist nur möglich, weil ich deutsch spreche.“

 

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