Müller zum Kärwa-Start: "Wollen keinen Ballermann"

1.10.2016, 09:00 Uhr
Die Michaelis-Kirchweih ist eines der sichersten Feste in ganz Deutschland.

© Hans-Joachim Winckler Die Michaelis-Kirchweih ist eines der sichersten Feste in ganz Deutschland.

Herr Müller, wie sieht der perfekte Kärwabummel für den Kirchweihreferenten aus?

Müller: 20 Grad, Sonnenschein. Er beginnt am Wirtschaftsrathaus, führt dann nicht ganz so weit, weil man schon an einer der ersten Buden einkehrt, um zu trinken und zu essen. Dann geht’s Richtung Theater. Das Kettenkarussell ist eines der wenigen Fahrgeschäfte, das ich heute noch fahre, meine Frau übrigens noch viel lieber als ich.

Müller zum Kärwa-Start:

© Hans-Joachim Winckler

Break-Dance oder Spaceparty kommen für Sie nicht mehr in Frage?

Müller: Davon war ich nie ein echter Freund. Zu mir passt eher die Oldtimer Rallye auf der Freiheit (lacht).

Wie geht’s weiter?

Müller: Zu den Markthändlern. Das ist immer wieder faszinierend, der Markt macht unsere Kärwa einzigartig. Meine Frau kauft da sehr gerne ein, und ein paar Junggesellen von meinem Stammtisch decken sich da mit Dingen ein, die es offenbar sonst nirgendwo gibt, von der Murmeltiersalbe bis zu was weiß ich was. Zum Ende hin sind Baggers definitiv gesetzt. Ach ja, und das Riesenrad finde ich gut, weil man da einen tollen Überblick hat. Den kann man jetzt allerdings auch von der Neuen Mitte genießen.

Die Kirchweih hat sich über viele Jahrhunderte, aber auch in den 20 Jahren ihrer Amtszeit stark verändert. Ist sie heute gut so, wie sie ist?

Müller: Ich finde sogar, dass sie sehr gut ist. Wir haben die Grenzen des Wachstums erreicht. 1998 hatten wir noch keine 500.000 Besucher, inzwischen sind es weit über eine Million.

Wer zählt die?

Müller: Das können natürlich nur Schätzungen sein. Bei uns sind die Zahlen aber recht genau, am Bauernsonntag übernehmen das Experten von der Polizei, die schätzen zum Teil vom Hubschrauber aus, wie viele Leute auf einem Quadratmeter stehen, und rechnen das dann hoch. Unsere guten Zahlen lassen sich auch dadurch belegen, dass auf der Kärwa, wie bei kaum einem anderen Fest, schon um 10 Uhr früh was los ist. Ich sehe das ja von meinem Bürofenster. Wir hatten aber nicht nur quantitatives Wachstum, sondern auch einen echten Qualitätssprung.

Was meinen Sie?

Müller: Es hat enorm viel gebracht, dass die Nürnberger Straße keine Sackgasse mehr ist, sondern zu einem Rundweg wurde, womit wir die Kleine Freiheit einbeziehen konnten. Gastro-Buden mit Freisitzen wie im Südtiroler Bergdorf, bei Trixi oder im Alten Brathaus gab es zuvor ja nicht. Das ist eine ganz neue Aufenthaltsqualität und für mich die einschneidenste Neuerung der letzten 20 Jahre.

Eine, die den Fürther Gastwirten – man spricht ja nicht umsonst von der Wirtshauskärwa – nicht geschmeckt haben dürfte...

Müller: Da gab es natürlich Bedenken. Aber mal ehrlich, um vier oder fünf Uhr nachmittags hockt sich doch noch niemand ins Wirtshaus, vor allem nicht, wenn das Wetter gut ist. Wichtig war uns, keine Bierzelte zuzulassen, das wäre tödlich für die Fürther Kärwa gewesen. Wir brauchen keinen Ballermann.

Das betonen Sie immer wieder gern.

Müller: Ja. Die Bergkirchweih zum Beispiel hat sich da anders entwickelt und, das sagt auch mein Erlanger Amtskollege, wenn du erst mal auf einer Schiene bist, kannst du das kaum noch zurückdrehen. Fürth hingegen ist ein Familienfest geblieben, wo es eigentlich – nehmen wir mal die aktuelle Sicherheitslage aus – überhaupt keine Gefährdung gibt. Das ist in Deutschland einzigartig.

Das Thema Sicherheit hat sie in diesem Jahr besonders beschäftigt.

Müller: Ja, aber es war nicht neu für uns. Der erste Einschnitt kam bereits mit dem Unglück auf der Loveparade 2010 in Duisburg. Damals, es ging hauptsächlich um Panikreaktionen und Fluchtwege, haben wir uns bereits einiges überlegt und umgesetzt. Inzwischen hat das Sicherheitsthema einen noch höheren Stellenwert. Gerade nach Ansbach, wo der Terror erstmals eine kleinere Stadt getroffen hat, kann man das nicht ignorieren. Wir tun alles, was machbar ist, aber es bleibt unvorstellbar, sämtliche Zugänge zur Kärwa abzuriegeln. Hier wohnen ja auch Menschen. Eine hundertprozentige Sicherheit kann es ohnehin nie geben.

Was würden Sie einem Fürther sagen, der sich nicht mehr auf die Kärwa traut?

Müller: Dass es weitaus wahrscheinlicher ist, bei einem Verkehrsunfall ums Leben zu kommen als bei einem Terroranschlag. Man darf sich das Leben nicht vermiesen lassen. Die Fürther Kirchweih ist wirklich eines der sichersten Feste in ganz Deutschland.

Trotz vieler Veränderungen gehören nach wie vor uralte Traditionen zur Kärwa – wie sehr hat es geschmerzt, dass es Fürth mit seinem Fest im ersten Anlauf nicht auf die bayerische Weltkulturerbe-Liste der Unesco geschafft hat?

Müller: Ich war enttäuscht, das gebe ich zu, aber nicht zu sehr, weil wir uns wirklich sehr kurzfristig beworben hatten. Wir werden einen neuen Anlauf starten. Wenn Kirchweihen Platz auf dieser Liste haben, dann ist die Fürther Kärwa mehr als jede andere dafür geeignet. Es wäre schön, dieses Prädikat zu haben, und ich bin zuversichtlich, dass ich das in meiner Amtszeit noch erlebe.

Haben Sie es den Siebenern aus Stadt und Landkreis Fürth gegönnt, die es mit ihrem Brauchtum auf die Liste geschafft haben?

Müller: Ich habe es allen gegönnt, bei manchen habe ich es halt mehr oder minder verstanden. Aber es hat sicherlich alles seine Berechtigung.

Gerade die Schausteller fordern gerne, die Kärwa sollte nicht schon nach zwölf Tagen enden. Was sagt der Kirchweihreferent dazu?

Müller: So ein Fest definiert sich nicht über die Länge. Zwölf Tage ist eine gute Zeit, es gibt in der Innenstadt ja auch Anwohner und Einzelhändler. Gewiss profitieren viele Händler von der Strahlkraft der Kirchweih, aber deshalb sollten wir die Innenstadt trotzdem nicht noch länger abriegeln.

Für das Jubiläum „200 Jahre Stadterhebung“ im Jahr 2018 wird wieder an eine außerplanmäßige Verlängerung gedacht, wird es die geben?

Müller: Beschlossen ist sie noch nicht, aber es wäre schon ein guter Anlass – und als Ausnahme von der Regel auch wieder etwas Besonderes.

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