Musenküssereien am Frühstückstisch

13.11.2009, 00:00 Uhr

Ernst ist das Leben, heiter die Kunst. Wen tät’ der Bildungshuber bloß zitieren, hätte uns der Feuerköpfige nicht mit so viel Stoff versorgt? Mit Kranichen, Glocke und Handschuh, aber ohne falsches Pathos wurde Schiller im Lindenhain gehuldigt. So kam sein Werk wieder dahin, wo es am besten aufgehoben ist – in aller Munde. Auch wenn Joachim Rudolph bei der Begrüßung von der Bühne mit sanftem Schreck feststellte: «Hier sitzen ja fast nur Mitwirkende». Doch was einem Intendanten graue Haare macht, schadete der Schiller-Fete nicht. Im gar nicht so schlecht besetzten BiKuL-Saal wurden Macher zu Zuhörern und das Publikum zu Akteuren. Was kann ein 250-Jähriger mehr verlangen?

Musik gab es auch. Dagmar Raum machte aus Beethovens G-Dur-Klaviersonate Nr. 20 auf dem Akkordeon eine «Fortsetzungs-Sonate» in wohldosierten Häppchen. Die sieben Sängerinnen der «Window Singers», die mit einem freundlichen Mops als Maskottchen antraten, berührten mit der «Ode an die Freude».

Im umfangreichen Programm mit seinen vielen Mitwirkenden sorgten Stefan Drücke, Brigitte Lange-Sauer und Brigitte Döring für die mitreißende Rezitation der großen Balladen. Andrea Gerhard ließ unter anderem «Das ungleiche Ehepaar» aufleben, Ute Rüppel trug «Worte des Wahns/Worte des Glaubens» vor.

Roland Eugen sprach als Goethe an Schillers Grab. Friederike Pöhlmann-Grießinger schrieb die kluge Rede und blickte dabei tief in ein schwieriges Freundschaftsgeflecht: «Ein jeder konnte dem anderen etwas geben, was ihm fehlte, und etwas dafür empfangen.»

TKKG-Chef Markus Nondorf, der bereits Schillers 200. Todestag 2005 in der Gaststätte «Die Glocke» angemessen stimmungsvoll begangen hatte, setzte sich mit Szenen aus «Don Carlos» auseinander und gestand, dass er «Die Glocke» gerne auch mal in der Küche am Frühstückstisch vortrage . . . Kann es ein schöneres Kompliment geben? Statt auf einem Marmorsockel noch immer mitten im Leben zu sein, dürfte Schiller sehr gefallen. sjr