Musiktruhen als Wohnzimmerschmuck

7.5.2018, 19:05 Uhr
Musiktruhen als Wohnzimmerschmuck

© Foto: Thomas Scherer

Kofferradios, so schick wie Designer-Handtaschen. Musikschränke als elegante Zierstücke im Wohnzimmer – Max Grundig wusste, was die Bundesbürger wollen. Wie intensiv sich der Gründer des Elektronik-Konzerns aus Fürth auch mit der Gestaltung seiner Produkte auseinandersetzte, beweist die einmalige Schau in der Badstraße: Zu sehen sind Handskizzen aus den 50er und 60er Jahren, gefertigt von den Mitarbeitern aus der "Abteilung Formgestaltung".

Auf leicht vergilbtem Papier, kaum DIN-A-5 groß, sind die Urformen von Geräten zu erkennen, von denen es einige bis zur Marktreife schafften. Vorausgesetzt, sie hatten vor den gestrengen Augen des Konzernchefs Bestand. Dass die einmaligen Zeichnungen nicht im Reißwolf landeten, ist Jürgen Schönborn zu verdanken. Der 74-Jährige war seit 1976 im Unternehmen und ab 1980 Chefdesigner, er macht klar: "Ein großer Verdienst von Max Grundig ist, dass er als einer der Ersten Design als Marketing-Instrument einsetzte." In den 60ern sei die Gestaltungsabteilung bereits mit rund 20 Mitarbeitern besetzt gewesen, ein Novum in dieser Zeit.

Außergewöhnlich sei aber auch die Fähigkeit des Fürther Patriarchen gewesen, "den Zeitgeist zu erfassen und exakt zu erkennen, was ankommt". Damit wirklich jeder das Passende fand, gab es oft "von einem Produkt bis zu zehn verschiedene Ausführungen", weiß Schönborn: "Ungewöhnlich war natürlich auch, dass jedes Modell einen treffenden Namen bekam." Unvergessen etwa der Fernseher "Zauberspiegel" oder der "Teddy-Transistor-Boy".

Jede Entscheidung ging über den Tisch des Chefs. Und Max Grundig hatte sehr genaue Vorstellungen. So manche Entwurfs-Zeichnung lässt erkennen, dass seine Anweisungen alle Details berührten. Für Grundigs "Chef-Mitteilungen" gab es sogar einen eigenen Vordruck. Ein Exemplar dieser Zettel wird in der Ausstellung gezeigt. Zu erkennen ist darauf eine Zeichnung, die möglicherweise eine Skizze für die Rundfunkempfangsteile HF1/HF2 darstellt. Neben Anmerkungen steht Grundigs Zeichen: Ein schnörkelloses G, in Rot. Wer ein solches Blatt bekam, der wusste wohl, dass er zum Rapport einbestellt ist. . .

Die Schau ruft Erinnerungen an vergangene Hör-Erlebnisse wach. Da ist zum Beispiel der Entwurf für ein "Teenager-Gerät" von 1963 – mit "Kassette und zwei Spulen". Schon 1958 wurde ein überaus schickes Uhrenradio gezeichnet und auf den Skizzen für die diversen Musiktruhen, die auf schlanken Beinen bella Figura machten, ist sogar an die dekorative Blumenvase gedacht worden, die das Ganze krönt. Eine Styling-Idee, die auch Peter Weigel aufgreift, der die Badstraßen-Schau in Zusammenarbeit mit Jürgen Schönborn gestaltete. Im Mittelpunkt des Raumes steht jetzt eine Art von Mega-Musiktruhe. Ein Nachbau im Maßstab 3:1 mit einer Anmutung von noblem Nussbaum-Funier, das in diesem Fall freilich aus Klebefolie besteht. Das Riesen-Erinnerungsmöbel dient nun als Ausstellungsfläche für die Zeichnungen.

Für Peter Weigel repräsentiert diese verflossene Welt der Hör-Kultur auch "eine besondere Wertigkeit in einer Phase, in der Musik noch Zeit und Raum hatte und nicht aus der Hosentasche kam". Den 34-Jährigen interessiert an den 50ern und 60ern nicht zuletzt "die Gefühle der Menschen, die Aufschwung und Wirtschaftswunder erleben". Einrichtungsgegenstände wie eben die schicken Musikkommoden verweisen für ihn ins Biedermeier, gleichbedeutend mit "einem Rückzug ins Private".

Die Ausstellung wird abgerundet mit einem Film von Sami Haidar, der Jürgen Schönborn porträtiert und Erinnerungen an seine Zeit bei Grundig festhält.

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