Nach Impfgegner-Film: Babylon-Kino erntet Shitstorm

24.5.2017, 06:00 Uhr
Nach Impfgegner-Film: Babylon-Kino erntet Shitstorm

© Foto: dpa

"Vaxxed: Die schockierende Wahrheit", so heißt ein Film, in dem behauptet wird, die amerikanische Gesundheitsbehörde CDC habe einen angeblichen Zusammenhang zwischen Mumps-Masern-Röteln-Impfungen und Autismus vertuscht. Kritiker bezeichnen das Werk des Impfgegners Andrew Wakefield, dem die ärztliche Zulassung in Großbritannien entzogen worden ist, als Propaganda.

Im Babylon lief der Film zweimal: privat in vollbesetzten Sälen. Als das Kino im Anschluss ein Foto des Impfgegners Rolf Kron, der als Gesprächspartner anwesend war, auf Facebook stellte und sich bei den Organisatoren und dem Referenten bedankte, löste das einen veritablen Shitstorm aus.

Auf der Seite entfaltete sich ein Schlagabtausch zwischen Impfgegnern und deren Kritikern. "Ich überlege mir ernsthaft, ob ich noch ins Babylon gehe", schreibt ein Fürther, "diese skrupellosen Leute, die mit ihrer ,Impfkritik’ gutes Geld verdienen, haben Menschenleben auf dem Gewissen. Sorry, denen eine Plattform zu geben, ist nicht okay."

Andrew Wakefield, Regisseur von "Vaxxed", sorgte 1998 mit einem Artikel in einer Fachzeitschrift für Aufsehen. Darin stellte er anhand von zwölf Fällen einen Zusammenhang zwischen dem MMR-Kombinations-Impfstoff, der gegen Mumps, Masern und Röteln eingesetzt wird, und Autismus her. Unabhängige Versuche, Wakefields Ergebnisse zu verifizieren, scheiterten.

2004 wurde bekannt, dass er vor der Veröffentlichung des Artikels Geld von Anwälten bekommen hatte, die Eltern autistischer Kinder vertraten und nach Verbindungen zwischen Autismus und der Impfung suchten, um Hersteller zu verklagen. Als dies bekannt wurde, trat ein Großteil der Mitautoren des Artikels von diesem zurück. 2010 hat die britische Ärztekammer Wakefield wegen standeswidrigen Verhaltens Berufsverbot erteilt.

Zahl der Impfungen brach dramatisch ein

Wakefields Veröffentlichung ließ die Zahl der Impfungen in den folgenden Jahren dennoch drastisch einbrechen. In Minnesota kam es im April zum größten Masern-Ausbruch seit fast 30 Jahren. Wie die Gesundheitsbehörde des US-Staats mitteilte, sind überwiegend ungeimpfte Kinder betroffen, deren Eltern von Anti-Impf-Propaganda beeinflusst wurden.

Auch hierzulande entscheiden sich manche Eltern bewusst gegen eine Immunisierung ihrer Kinder, oft aus Angst vor möglichen Komplikationen. Prof. Dr. Jens Klinge, Chefarzt der Kinder- und Jugendklinik im Fürther Klinikum, hält diese Sorge für unbegründet und rät dringend zur Impfung: "Gerade im jungen Kindesalter wird sie gut vertragen." Hartnäckig hält sich zudem die Annahme, es wäre besser, das Kind würde einmal die Krankheit durchmachen, anstatt einfach von einem Arzt in den Arm gepiekst zu werden.

Späterkrankung führt zum Tod

Väter und Mütter, die ihre Kinder auf sogenannte "Masern-Partys" schicken, um sie dort anzustecken, handeln in Klinges Augen fahrlässig. Zwar werde die Infektion oft gut überstanden, doch es kann auch anders laufen. Die Krankheit könne eine schwere Entzündung des Gehirns hervorrufen. Besonders fatal ist die SSPE (subakute sklerosierende Panenzephalitis) – eine Späterkrankung der Masern, die Klinge zufolge immer zum Tod führt und Jahre nach der Infektion auftreten kann.

Davon möchten die meisten Impfgegner, die den Beitrag des Babylon-Kinos kommentierten, nichts wissen. In ihren Augen sind Impfbefürworter "Systemlinge", die der Propaganda der Pharmaindustrie auf den Leim gehen. Unternehmen würden durch Impfungen Menschen bewusst krank machen, um an ihrem Leid Geld zu verdienen. Für die Vorführung des Films in Fürth hatte die Seite "Impfkritik – Impffrei" Werbung gemacht. "Die Pharmazensur durchbrechen, es finden sich also noch mutige Kinobesitzer, die keine Angst vor den Großen und Mächtigen haben", heißt es in einem Facebook-Beitrag.

Kein Verstoß gegen Grundsätze

Die Seite betreibt Frank Reitemeyer, ein "Reichsbürger" und ehemaliger NPD-Lokalpolitiker. Die Vorstellung, eine kleine, gerissene Gruppe von Verschwörern beherrsche die Welt und schädige die "Volksgesundheit", steht in der Tradition antisemitischer Wahnvorstellungen. So schrieb bereits 1881 Eugen Dühring in seiner Kampfschrift "Die Judenfrage als Racen-, Sitten- und Culturfrage": "Der ärztliche Beruf ist wohl unter allen gelehrten Geschäftszweigen (. . .) am stärksten von Juden besetzt. Die künstliche Beschaffung einer Menge von Nachfragen nach ärztlichen Diensten ist ein Gesichtspunkt, dessen Bethätigung immer ungenirter geworden ist. Socialökonomisch betrachtet (. . .) ist der Impfzwang immer ein Mittel, durch welches dem ärztlichen Gewerbe eine unfreiwillige Kundschaft zugeführt wird".

Gegenüber den FN betont Babylon-Geschäftsführer Christian Ilg, dass die Vorstellung privat, das Kino also nicht Veranstalter gewesen sei. Er selbst hält den Film für eine "schlechte Dokumentation". Da er aber weder rassistisch noch faschistisch oder anderweitig menschenverachtend sei, verstoße er nicht gegen die Grundsätze des Babylon-Kinos. "Deswegen war ich mit einer privaten Vorführung einverstanden", sagt Ilg, der selbst zu den Impfbefürwortern zählt.

Wenn sich aus diesem Kreis ein Veranstalter finde, sei er gerne bereit, den Film nochmals zu zeigen – diesmal aber mit kritischer Begleitung.

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