Naturprojekt: Kritik an der Steiner Keimzelle

18.1.2019, 21:00 Uhr
Naturprojekt: Kritik an der Steiner Keimzelle

© Brenzke

In einem losen Zusammenschluss haben sich Bürger aus der Luitpoldstraße, einer Wohnstraße Steins mit wundervollem Blick auf den Wiesengrund, aber auch aus anderen Ecken der Altstadt zusammengefunden. Sie protestieren gegen die aus ihrer Sicht unsinnige Umgestaltung der Grünfläche zu dem Gelände mit dem Arbeitstitel Steiner Keimzelle.

Naturprojekt: Kritik an der Steiner Keimzelle

© Foto: B. Dietz

Das Areal, das weitgehend Eigentum der Stadt ist, liegt am Schnittpunkt Deutenbacher Straße und Hauptstraße, ist also zu Fuß bequem von der Wohnbebauung erreichbar. Nicht nur Steiner, sondern auch Bürger aus dem nahen Nürnberg gehen dort spazieren oder joggen. Die Grünfläche, die bis vor kurzem zu Teilen landwirtschaftlich genutzt wurde, liegt im Landschaftsschutzgebiet Stein, ist außerdem als Flora-Fauna-Habitat-Gebiet (FFH) registriert und zählt zum Überschwemmungsbereich der Rednitz. Außerdem ist eine Hecke im südöstlichen Rand als Biotop kartiert.

Die rund 30.000 Quadratmeter große Fläche soll ein neues Gesicht bekommen: ein Weinberg, Pachtflächen für den privaten Gemüseanbau (als Urban Gardening bezeichnet), ein Hain für Bäume, die zu Jubiläen gepflanzt werden können, ein Klassenzimmer in der Natur, zuletzt noch ein Klimahain und Blühflächen für Insekten. In einer ersten Kostenschätzung war von 300.000 Euro die Rede, die für die Keimzelle ausgegeben werden müssten.

Bei der Vorstellung des Konzeptes wurde im Steiner Stadtrat versichert, dass dort nichts geschehe, was dem Schutzstatus zuwider laufe. Alle landschaftsgestalterischen Eingriffe seien ganz sanft.

Auch die Untere Naturschutzbehörde beim Landratsamt hat die beabsichtigten Veränderungen geprüft. Sie würden "keine relevanten Lebensraumtypen oder FFH-Gebietsarten betreffen", heißt es von dort. Zwar würde für den Weg die Hecke durchschnitten, aber die Neugestaltung des Umfeldes könne zu einer Aufwertung des Ist-Zustands führen.

Bereits jetzt sei der Freizeitdruck groß und habe Auswirkungen auf die Artenvielfalt. Die Neugestaltung könne sich auf den Bestand von Eidechsen, der dort nachgewiesen ist, sogar positiv auswirken, heißt es vom unteren Naturschutz.

Die Kritiker aber sind skeptisch: Gerd Herbst, einer der Bürger, die das Projekt nicht begrüßen, fasst die Meinung der Gegner zusammen: "Sicher hat die Stadt etwas Positives gewollt, aber Naturschutz, Artenschutz und Urban Gardening — das ist alles nicht unter einen Hut zu bekommen."

Verschiedene Befürchtungen treiben die Anwohner um. Kerstin Brenzke erwähnt beispielhaft den hohen Grad der Versiegelung, der geplant ist: 1200 Meter asphaltierte, drei Meter breite Wege sollen durch das Gelände führen (zum Vergleich: Die Luitpoldstraße ist 170 Meter lang). Außerdem sind drei Brücken über die Flutrinne, die vom Dach des Einkaufszentrums Forum in den Grund verläuft, geplant. Eine Aussichtsplattform, drei Treppen und eine Rampe, um das Areal zu erschließen, sind vorgesehen. Insgesamt wird ein Versiegelungsgrad von rund elf Prozent erreicht.

Lieber ursprünglich

Genau solche Eingriffe könnten dazu führen, dass das Areal eines Tages gar nicht mehr geschützt sei, fürchtet Anwohnerin Christiane Weichmann. Dort ein Bauwagen für die Geräte der Hobbygärtner, ein Toilettenhäuschen, vielleicht noch ein Zaun, um die Gemüsepflanzen vor dort immer wieder gesichteten Rehen zu retten — schon sei es vielleicht kein Landschaftsschutzgebiet mehr. Und Gerd Herbst fragt: "Wenn Staat und Stadt im Sinne ihrer Vorbildfunktion Landschaftsschutzgebiete nicht in ihrer Ursprünglichkeit erhalten, wer soll es denn sonst tun?" Es müsse doch nicht jedes Fleckchen "entwickelt" werden.

Herbst hat deshalb einen Alternativvorschlag in seiner Stellungnahme präsentiert, der weit weniger Fläche versiegeln würde. Einzelne Ideen, wie Blühflächen für Bienen, findet er sehr gut. Eine Bebauungsplanänderung sei dafür aber seines Erachtens gar nicht nötig.

Hundebesitzerin Brenzke ist oft im Wiesengrund unterwegs. Bei Zufallsbegegnungen hat sie immer wieder das Thema Keimzelle angesprochen. "Ich habe niemanden getroffen, der das verstanden hat", berichtet sie.

300 Stellungnahmen

Grund, aktiv zu werden: Die Bürger haben rund 300 Stellungnahmen gegen das Projekt gesammelt und sie anlässlich der vorzeitigen Bürgerbeteiligung ins Rathaus gebracht. Neben der Versiegelung geht es darin auch um den befürchteten Parkdruck in der Altstadt, denn sicher würden nicht alle Hobbygärtner mit dem Rad kommen. Auch die mögliche Lärmentwicklung wird thematisiert.

Arno Pfeifenberger vom Steiner Bund Naturschutz (BN) betont, dass entgegen der Aussagen aus dem Rathaus der BN zwar über das Vorhaben informiert worden sei, aber sich keineswegs damit einverstanden erklärt habe. Vorschläge, die der BN gemacht habe, seien komplett ignoriert worden.

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