Neue Mitte: Front gegen die historische Kulisse

20.11.2008, 00:00 Uhr
Neue Mitte: Front gegen die historische Kulisse

© Mark Johnston

Als die Fürther Christsozialen den Vorschlag im Bauausschuss einbrachten, erinnerten sie bewusst an das alte Berliner Stadtschloss. Im Zweiten Weltkrieg ausgebrannt und 1950 vollständig abgerissen, wurde es über 20 Jahre später durch den Palast der Republik ersetzt.

Weil «Erichs Lampenladen», wie der Volksmund das Gebäude in Anspielung auf die zahllosen Leuchten an der Foyerdecke nannte, völlig asbestverseucht war, wird er gerade abgetragen. Der Nachfolgebau, das so genannte Humboldt-Forum, soll mit Teilen der Fassade des Berliner Schlosses errichtet werden.

Der Fürther Peter Dürschinger zählt zu den über 100 Architekten, die zu dem internationalen Wettbewerb fürs Humboldt-Forum eingeladen wurden. Seinen Vorschlag hat er bereits eingereicht, in den kommenden Wochen fällt die Jury eine Entscheidung. Doch trotz der Ehre fiel es Dürschinger nicht leicht, sich zu beteiligen. Diese Fassade, sagt er, «das ist bloße Kulisse. Wie im Theater». Eine barocke Hülle, dahinter eine moderne Nutzung - für Dürschinger passt das nicht zusammen. «Gute Architektur», betont er, «spiegelt immer den Zeitgeist wider.»

Und Fürth? Würde eine alte Fassade am Einkaufszentrum «Neue Mitte» nicht gut zur selbst ernannten Denkmalstadt passen? «Nein», sagt Dürschinger klipp und klar. «Ein Denkmal besticht durch seine Echtheit und seine Geschichte, durch seine Tiefe und nicht bloß durch die Oberfläche.» Es müsse «echt sein und nicht imitiert».

Die Denkmalstadt Fürth, so Dürschinger, wäre gut beraten, sorgsam mit ihrer Substanz umzugehen und nicht Altes wieder auferstehen lassen: «Wir sollten uns bemühen, die Glut am Leben zu halten und nicht die Asche zu bewahren.»

Nicht grundsätzlich dagegen

Auch Wolfang Loebermann ist von dem Vorschlag der CSU nicht angetan. Loebermann hat sein Büro in Nürnberg, wohnt aber in Fürth und ist hier auch beruflich aktiv - das ehemalige Bauamt wird gerade nach seinen Plänen umgestaltet. «Entweder», sagt er, «ich kann etwas erhalten oder ich breche es ab und ersetze es durch etwas Zeitgemäßes.» Weil es nicht seiner «Überzeugung von Städtebau und Architektur» entspricht, hält er nichts davon, «historisierend einzugreifen».

Ähnlich äußert sich Volker Heid vom Büro Heid Architekten. «Ich bin nicht grundsätzlich gegen Rekonstruktionen», sagt das Vorstandsmitglied der Bayerischen Architektenkammer - die Dresdner Frauenkirche als Symbol für den Frieden sei ein positives Beispiel. Wenn aber eine alte Fassade einem modernen Einkaufszentrum vorgesetzt werde, dann ist «das bloß noch eine absurde Kulisse». Wie Peter Dürschinger findet Heid, man solle lieber darauf achten, alte Substanz gar nicht erst abzureißen, statt Altes wiederaufzubauen.

Alles in allem wird nach seiner Überzeugung mit der Diskussion von einem wichtigeren Thema abgelenkt: «Es kann nicht sein, dass die Stadt die Rudolf-Breitscheid-Straße als öffentlichen Raum aufgibt», sagt Heid über das Vorhaben des Investors, einen Teil der Straße in das Center einzubeziehen. Ihm zufolge muss es architektonisch machbar sein, diese «wichtige Verbindung zwischen Fußgängerzone und Freiheit» als Straßenraum zu erhalten. «Der Preis, den die Stadt andernfalls zahlt, wäre zu hoch.»