Neues aus Abseitingen

12.6.2017, 18:05 Uhr
Neues aus Abseitingen

© Foto: Athina Tsimplostefanaki

Auf den ersten Blick weiß man nicht recht, ob hier in bunten Farben und einem Comicstil irgendeine Metropole zu sehen ist. Anton Hantschel hat Verkehrsströme, Hochhäuser, Wohnschachteln und dazwischen Menschen, die sich gegen die Szenerie behaupten müssen, gemalt. Doch bei genauerer Betrachtung erkennt man plötzlich ein Schaf und seinen Hirten mitten auf dem Nürnberger Friedrich-Ebert-Platz. Und dann blitzen überall Geschichten auf.

Zum Beispiel die von einem älteren Paar, das an einer Schnellstraße spazierengeht, wohl um sich Luft zu verschaffen, weil es sehr heiß ist. Überall klebt Werbung für die Firma "OW", die Frau trägt nur einen Bikini, obwohl er ihr wirklich nicht steht. Doch sie muss sich wie alle anderen präsentieren. Später sind die beiden in einem noblen Vorort angekommen, hier kann man als Motto "Fun" lesen. Diese ganze Abseitigen-Welt wirkt fahl, blutleer und emotionslos, als sei die Sonne nur zur Dekoration aufgeklebt. Dass hier jemand glücklich ist, kann man sich kaum vorstellen. Es geht darum, zurechtzukommen. Und das schaffen Hantschels Protagonisten mit verzweifelter Lakonie.

Eine andere kleine Story erzählt von einem alten Mann mit Rollator, der an der Firma "Krake Investment" vorbeischlurft. Sie wirbt mit dem Slogan "Ihre Rente ist uns sicher", während um die Ecke Bettler die Hand ausstrecken. Auf dem nächsten Bild befindet sich der Rentner mit Gehhilfe vor einem merkwürdigen Viertel, in dem die Häuser alle gleich aussehen und eine Art Gesicht haben, die in die gleiche Richtung blicken. Geht es um ein Bauprojekt des Unternehmens "Krake" um die Gentrifizierung? Zeigt Hantschel hier, wie sich Stadtteile verändern? Will er den Wechsel von einer armen Bewohnerschaft zu Eigentümern mit mehr Geld ins Visier nehmen? Oder wird sich der alte Mann womöglich wehren?

Und dann ist da das Bild, auf dem ein Arbeiter die "Büchse der Pandora" in Form einer großen Säule demontiert, während ein Strom Autos auf eine große gelbe Sonne wie auf ein trügerisches Versprechen zufährt. Auch die Mobilfunkfirma "Com" spielt eine zwielichtige Rolle: Man sieht ihren dominanten Funkturm, während daneben in einem Hochhaus schattenhafte Gestalten auf ihren Balkonen stehen und telefonieren – nah beieinander und doch isoliert, ohne echten Kontakt. Im amerikanischen Superhelden-Comic steht die Großstadt für die Zukunft. Dergleichen ist Hantschel völlig fremd. Er will zeigen, wie man im menschenfeindlichen Betonmoloch lebt und überlebt. Von künftigen Zeiten ist nicht die Rede, nur von Tricks für die Gegenwart. So sieht clevere Kritik am Bestehenden aus. Hinzu kommen noch ältere Bilder, die sich mit Körperformen und Verfall auseinandersetzen, sowie neue, äußerst reduzierte grafische Arbeiten, die bitterböse den Kern treffen.

Bis 18. Juni im Clinc Kunst-Centrum, Kaiserstr. 173. Geöffnet Sonntag, 11. Juni, und Sonntag, 18. Juni, jeweils von 14 bis 19 Uhr.

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