Oberasbach hat die schönsten Tassen im Schrank

9.12.2017, 09:00 Uhr
Oberasbach hat die schönsten Tassen im Schrank

© Foto: Patricia Blind

Dieses Mal rief Antikhändlerin Luise Ludwig mit feinem Geschirr Erinnerungen wach. Alte Steingutteller, bunte Art-Deco-Schüsseln und feine Rosenthal-Teller ließen einstige Familienfeste und gemütliche Abendessen wieder lebendig werden.

"Schon als Mädchen mochte ich es, nach der Schule alte Sachen im Schaufenster zu bestaunen", erzählt die 79-Jährige Luise Ludwig.

Rund 40 Jahre lang führte sie mit ihrem Ehepartner ein Antiquitätengeschäft in Zirndorf. Nicht nur die glanzvolle Handarbeit bezaubert die gebürtige Niederbayerin, sie interessiert sich auch für die Menschen: "Wer das wohl alles benutzt hat . . . die Geschichte der Waren fasziniert mich."

Jeden zweiten Monat kommen die Oberasbacher in der kleinen Stube am Rathausplatz zusammen, tauschen Kindheitserinnerungen, Schicksalsschläge und Anekdoten aus. Organisiert vom Quartiersmanagement der Diakonie Fürth, kommt im Erzählcafé bei einer Tasse Kaffee vergessen Geglaubtes zum Vorschein. Maria Fröhlich vom Quartiersmanagement, die den Nachmittag moderierte, blickt die dekorierte Tafel vor ihr staunend an. Während viele in ihrem Alter Nudelsalat aus Ikea-Schüsseln essen, freut sich die 24-Jährige über die Goldrandteller ihrer Oma: "Die habe ich bekommen, als ich ausgezogen bin. Meine Freunde staunen immer über mein schönes Geschirr."

Ludwig hofft, dass die alten Schmuckstücke und die damit verbundenen Erinnerungen nicht in Vergessenheit geraten. "Ich fände es toll, wenn mehr junge Leute auf Flohmärkte gehen und sich solche schönen Teller ansehen", findet sie. Gern stellt sie ihre Kostbarkeiten aus, allein im Roßtaler Heimatmuseum waren Ludwigs Waren bereits 13 Mal zu sehen. Doch nicht alle mögen die Leidenschaft am dekorierten Hausrat teilen, eine Teilnehmerin ruft: "Hauptsache es schmeckt, was in den Tellern drin ist!" Pragmatisch sind alle der versammelten Franken, luxuriöses Porzellan stand früher bei keinem in der Vitrine. Geschirr, so die einmütige Meinung, ist zum Essen, nicht zum Ansehen da. Erinnerungen an düstere Nachkriegszeiten, leere Geldbörsen und harte Arbeit kommen hoch.

"Als kaufmännischer Angestellter hat man damals 300 Mark verdient", erklärt Hans Drexler. "Es war eng." Um sich zur Hochzeit ein eigenes Gedeck leisten zu können, mussten er und seine Frau Ulrike gewissenhaft sparen. Ein Porzellanservice konnte man sich zwar nicht leisten, doch: "Man hat sich über alles gefreut, was man sich erarbeitet hat", so der 75-Jährige.

"Ich habe 1955 geheiratet, da hatten wir keinen Polterabend wie die Generationen nach uns", erzählt die gebürtige Berlinerin Helga Klecker. Gutes Geschirr, das einfach gegen die Wand geworfen wird? Undenkbar! "Solche Vorfeste konnte sich keiner leisten", stimmen auch die Drexlers zu.

Vor rund 60 Jahren heiratete Luise Ludwig ihren Ehemann Günther. Die kleine Hochzeit hat sie noch genau vor Augen: "Der Trauzeuge war da, meine Schwiegereltern, und die Schwägerin. Es gab Bauchfleisch und Klöße, die Nachbarin hat abgespült. Wir haben aus alten Tellern gegessen. Das war alles."

Süße Belohnung Granatsplitter

Auch Günther Ludwig stimmen die alten Schüsseln nachdenklich. Bilder von der zerbombten niederbayrischen Heimat kommen in den Sinn. "Vieles war zerstört, es gab nicht genug Geschirr. Da kam es schon vor, dass drei Mann aus derselben Blechschüssel Kartoffelsalat gegessen haben." "Man war für jedes Stück dankbar", fügt seine Frau hinzu.

In der Nachkriegszeit konnten die kleinsten Dinge die größte Freude bereiten, da sind sich alle Rentner einig. Wenn die Mutter einmal im Monat nach Nürnberg zum Weißen Turm gefahren ist und mit süßen Granatsplittern zurückkam zum Beispiel. Oder wenn man für den Vater Tabak einkaufen musste, und sich vom Restgeld Bonbons holen durfte.

"Das war eine Seligkeit", lächelt Hans Drexler, der auf keinen Fall den Eindruck erwecken möchte, dass er nicht zufrieden ist. Denn beschweren will sich im Erzählcafé niemand: "Das Leben damals war einfach, aber wir waren genauso zufrieden wie heute."

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