Oberasbach ist das Jamaika im Landkreis

13.10.2017, 12:00 Uhr
Oberasbach ist das Jamaika im Landkreis

© NN-Grafik: Melanie Held

Im Bund stehen jetzt erst einmal Sondierungsgespräche zwischen Union, FDP und Grünen an. Was kann Berlin von Oberasbach lernen?

Birgit Huber: Zunächst einmal muss man klar sagen, dass der Vergleich hinkt. Wir sind keine Legislative, machen also keine Gesetze, sondern vollziehen das, was in Berlin oder München beschlossen wird. Im Bund sind die Themen komplex, da sind Stäbe von Fachleuten bei den Verhandlungen dabei. Wir saßen hier in der Küche von Thomas Peter und haben uns unterhalten.

 

Über 90 Prozent der Entscheidungen im Stadtrat fallen einstimmig. Geht es bei der Verteilung der Bürgermeisterposten auch darum, sich Mehrheiten im Gremium zu sichern, wie eine Regierungskoalition das tun muss?

Huber: Es geht darum, Fragen zu klären, etwa, welche Themen sind den Anderen wichtig. . .

Thomas Peter: Es geht aber auch um Mehrheiten. Du hättest damals mehrere Möglichkeiten gehabt und hast Dir die Leute schon angeschaut. Wir saßen zwei Mal hier in der Küche.

 

Wenn es hart auf hart geht, zählen letztlich doch Mehrheiten, auch im Stadtrat: Jamaika hat in Oberasbach zusammen mit der Bürgermeisterin eine Stimme mehr als SPD und Freie Wähler – beruhigend?

Huber: Ich bespreche die wichtigen Themen nicht nur mit meinen beiden Stellvertretern, sondern berate die Dinge auch in der Fraktionssprecherrunde vor. Da höre ich schon rein, wie die Tendenz ist. Es ist einfach besser, in der Gruppe zu entscheiden. Außerdem ist das Votum im Stadtrat durchaus heterogen – bei allen Parteien. Und ich weiß, der Grüne Norbert Schikora wird sicher anders stimmen, wenn es um Bäume geht, genau wie der Landwirt Thomas Peter etwa beim Thema Grundstückspreise.

Norbert Schikora: Bei unseren Treffen nach der Wahl war vieles nicht inhaltlicher Natur, es geht um die persönliche Ebene. Ich denke hier in Oberasbach ist das sehr intensiv, denn wir kennen uns sehr gut. In Berlin ist Jamaika ein Experiment, in Oberasbach ist es das nicht

Wie kann das Experiment gelingen?

Schikora: Nur mit gegenseitigem Vertrauen. Außerdem glaube ich, dass die Koalition ein Projekt finden muss, das zu ihrem Markenzeichen wird und sie zusammenhält, weil sich jeder darin wiederfinden kann. Klappt das nicht wird es relativ schnell vorbei sein mit Jamaika.

Schwierig, denn Knackpunkte gibt es genug, nehmen wir nur einmal die Flüchtlingsfrage.

Peter: Wir brauchen eben ein Einwanderungsgesetz, das für jeden passt, Liberale und Grüne sind da nicht weit voneinander entfernt. Als Bauer würde ich nur einen Landwirtschaftsminister Toni Hofreiter skeptisch sehen, aber wir werden auch den überstehen. Es müssen sich alle zusammenraufen, denn Neuwahlen – das haut nicht hin.

Huber: Man darf nicht schwarz-weiß malen, sondern muss die Grautöne berücksichtigen. Damit die Regierungsbildung gelingt, wird auch die CDU/CSU über ihren Schatten springen müssen.

 

Bei den Grünen sieht es nicht anders aus – oder was ist mit dem Ende des Verbrennungsmotors ab dem Jahr 2030?

Schikora: Das darf keine Rote Linie bei Koalitionsverhandlungen sein, da bin ich bei Wilfried Kretschmann. Man muss die Weichen für die E-Mobilität weiter stellen, aber auch alle technischen Möglichkeiten beim Verbrennungsmotor ausschöpfen.

 

Wie wäre es jetzt noch mit ein paar finalen Oberasbacher Tipps für erfolgreiche Jamaika-Verhandlungen?

Huber: Die Partner müssen sich gegenseitig wertschätzen. Aber ich befürchte, das ist in der großen Politik anders als in Oberasbach.

Peter: Man soll sich ganz klar die Meinung sagen, aber so, dass man sich hinterher noch ins Gesicht sehen kann.

Schikora: Humor bitte, wir lachen hier viel – und entspannt bleiben: Vielleicht sollten alle – natürlich nur im übertragenen Sinne – ab und an einen Joint rauchen.

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