Oma griff zu Nadel und Faden

3.7.2018, 16:00 Uhr
Oma griff zu Nadel und Faden

© Foto: Florian Burghardt

Gestrickte Mützen und Schals, ein gehäkeltes Zierdeckchen als Untersetzer für die Teekanne: Das sind für viele Menschen nach wie vor handgefertigte Produkte mit Nadel und Faden. Aber lohnt sich der Aufwand überhaupt? Schließlich gibt es genügend Geschäfte, die maschinell produzierte Kleidung, Bettwäsche, Handtücher und sonstige Textilien führen – und das zu einem Preis, der beim Selbermachen schon fürs Material fällig wird.

Vor über 50 Jahren war das anders: "Wer konnte, hat alle seine Klamotten selbst genäht", erinnert sich eine der Teilnehmerinnen im Oberasbacher Erzählcafé. Bereits zum neunten Mal fand es auf Initiative des Oberasbacher Quartiersmanagements der Diakonie Fürth statt. Es soll älteren Menschen Raum geben, über ihr ereignisreiches Leben zu sprechen. Bei der jüngsten Auflage in den Räumen des Oberasbacher Bürger-Info-Treffs (B-I-T) ging es um das Thema "Sticken, Stricken, Häkeln – alles über Handarbeit".

Ohne das "Selbermachen" hätte ein Haushalt früher nicht funktioniert, da ist sich die Gesprächsrunde einig. Denn Kleidung war bei weitem nicht das einzige, was auf diesem Wege entstand. Wer zum Beispiel Bauchschmerzen hatte, war froh um die selbst gestrickten oder gehäkelten Taschen für die Wärmflasche. Schließlich schonten diese den Patienten vor den häufig noch metallenen Gefäßen mit kochend heißem Wasser. "Wer so etwas nicht hatte, packte Backsteine, die zuvor im Ofen gelegen hatten, in die Taschen", berichtet eine Frau.

Nichts zum Wegwerfen

Taschentücher waren damals keine Wegwerfgegenstände aus Papier, sondern aus Stoff. Sie wurden gewaschen und wiederverwendet. Aufbewahrt wurden sie häufig in selbst genähten kleinen Täschchen, damit sich nach dem Waschen kein Staub oder Dreck auf ihnen sammelte.

Denselben Zweck erfüllten auch die sogenannten Überhangtücher, häufig bestickt mit Danksprüchen oder motivierenden Worten. So stand beispielsweise auf einem der Tücher, mit dem die frisch gewaschene Wäsche abgedeckt wurde, um sie vor Pollen und Schmutz zu schützen: "Wir hoffen auf schönes Wetter."

Diese Überhangtücher waren damals in fast allen Haushalten sehr populär. In vielen Küchen hing eines mit dem Spruch: "Fünf waren geladen, zehn sind gekommen, gieß’ Wasser zur Suppe, heiß’ alle willkommen."

Dass es sich dabei nicht nur um einen Scherz handelte, weiß Luise Ludwig aus erster Hand. Die Sammlerin verfügt über etliche alte Handarbeitsstücke und bringt regelmäßig Anschauungsmaterialien zu den Erzählcafés mit. "Für eine größere Gesellschaft zu kochen, war damals sehr schwierig. Feiern wollte man natürlich trotzdem, und daher kommt dieser Spruch."

Denn Fleisch gab es meist nur gegen Lebensmittelmarken. Heute fast unvorstellbar: Mit 500 Gramm pro Monat musste mancher auskommen. "Für eine Hochzeit haben oft die Gäste ihre Marken aufgespart und dann für ein gemeinsames Festmahl zusammengelegt", erläutert Ludwig.

Das nächste Oberasbacher Erzählcafé findet voraussichtlich erst nach den Sommerferien statt. Der genaue Termin und das Thema der Veranstaltung werden rechtzeitig vorher bekanntgegeben.

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