Perfide Operation der Nazis

4.11.2012, 16:00 Uhr
Perfide Operation der Nazis

© Grafik: Landesamt für Vermessung

Herr Imholz, vor einem Jahr haben Sie mit Akribie das Schicksal der Fürther Familie Goldmann erforscht, die dem Massenmord im Nationalsozialismus zum Opfer gefallen ist. Der jüdische Kommunist Ernst Goldmann gehörte 1933 zusammen mit Rudolf Benario zu den ersten in Dachau ermordeten Fürthern. Eine Gedenktafel an der Uferpromenade erinnert an die beiden. Jetzt knieten Sie sich tief in die Enteignungswelle hinein. Was treibt Sie bei ihrer intensiven Spurensuche an?

Perfide Operation der Nazis

© Mark Johnston

Imholz: Ich möchte herausfinden, wie der Nationalsozialismus funktioniert hat, warum die Menschen so bereitwillig mitgemacht haben. Ich sammle Fakten, um der Legendenbildung entgegenzuwirken, dass der Nationalsozialismus nur von ein paar durchgeknallten Typen getragen wurde und im angeblich so toleranten Fürth nur eine Art Betriebsunfall gewesen ist. Die Beschäftigung mit der jüdischen Familie Goldmann, die enteignet und am Auswandern gehindert wurde — was praktisch ihr Todesurteil war —, hat den Anstoß zur weiteren Spurensuche gegeben.

Das hört sich ziemlich akademisch an. Es gibt Stimmen, die sagen, man solle die alten Geschichten doch endlich zu den Akten legen und sich lieber auf die Probleme der Gegenwart konzentrieren...

Imholz: ...aber es ist ja nicht so, dass die Spurensuche in der Vergangenheit keine Bedeutung auf die jetzige Situation hätte. Ich sehe durchaus die Gefahr, dass dieser Wahnsinn wieder ausbricht, wenn die äußeren Verhältnisse das erlauben. Der Antisemitismus ist nach 1945 nicht einfach verschwunden. Ich erkenne ihn etwa in der Diskussion über das Beschneidungsurteil. Zum Rassismus gehört auch das Stigmatisieren von Bevölkerungsgruppen wie die Türken, oder auch das pauschale Verdammen von Berufsgruppen wie Banker, womit man die Finanzmisere ja auch nicht löst. Deshalb ist es mir wichtig, die Grundmuster des Versagens der Zivilisation zu analysieren.

Was spricht nach Ihren Recherchen gegen die These vom Betriebsunfall?

Imholz: Zum Beispiel die langen Listen der massenhaften Käufe jüdischen Eigentums zu Spottpreisen in Fürth. Es waren tatsächlich nicht nur einige wenige, die sich bereichert haben. In Zeitungsanzeigen wurde der Verkauf aus jüdischen Haushalten angekündigt und der Oberbürgermeister forderte auch die städtischen Ämter auf, sich zu bedienen. Alle wussten, worum es geht. Es gab keinerlei Proteste. Das alles hat reibungslos funktioniert. Geschäftsleute denunzierten sich im Verteilungskampf mit den absurdesten Begründungen sogar gegenseitig.

War die Enteignung der Juden ein politischer Schachzug?

Imholz: In der Tat war es von oben ganz perfide gesteuert. Mit dem Versprechen, dass jeder etwas abkriegt vom Kuchen wurden die Massen geködert.

Und das funktionierte?

Imholz: Das ist das Erstaunliche. Es waren ja keine geborenen Raffer und Idioten, die da mitgemacht haben, sondern ganz gewöhnliche Leute. Firmen wie die Eckart-Werke und Schickedanz verdankten ihre Größe auch der Einverleibung jüdischer Unternehmen.

Fürth hat in Nürnberg verfolgten Juden einst Zuflucht geboten. Hier entwickelte sich eine große jüdische Gemeinde, deren Großzügigkeit die Stadt und ihr Gemeinwesen aufblühen ließ. Jahrhundertelang lebten die verschiedenen Religionsgruppen friedlich zusammen. War das alles auf einmal vergessen?

Imholz: Ich habe mich vor diesem historischen Hintergrund immer gefragt, wie dick die Decke der Zivilisation in Fürth war, die Fehlentwicklungen hätte verhindern können und bin zu dem Schluss gekommen, sie war nicht dicker als anderswo. Es ist erschreckend, mit welcher Gefühllosigkeit die Finanzbürokratie selbst emigrierten Juden noch nachstellte.

Nun gibt es in Fürth doch eine starke Gegenbewegung zu den neuen Nazi-Umtrieben. Ist das nicht ermutigend?

Imholz: Natürlich. Die Auseinandersetzung mit dem Rechtsradikalismus ist wichtig. Wir müssen wachsam sein, damit uns die Katastrophe nicht wieder einholt. Allerdings machen es sich einige Gruppen meiner Meinung nach zu einfach, wenn sie sich nur auf durchgeknallte Stiefeltreter konzentrieren. Man darf bei einer ernsthaften politischen Auseinandersetzung auch den Mittelstand nicht außer Acht lassen.

An die Opfer der Pogromnacht in Fürth erinnert die Stadt am 8. November um,18.30 Uhr. Zu den Rednern zählt neben Oberbürgermeister Thomas Jung, Dekan Jörg Sichelstiel und Ruth Brenner vom Bündnis gegen Rechtsextremismus und Rassismus auch Gerald Asamoah, Ex-Nationalspieler und Profikicker der SpVgg Greuther Fürth.
 

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