Pflege als Berufung

12.5.2013, 16:00 Uhr
Pflege als Berufung

© Stefan Hippel

Die Frau, an die man sich weltweit am 12. Mai erinnert, war Mitte des 19. Jahrhunderts in Großbritannien annähernd so bekannt wie Königin Victoria: Mit Florence Nightingale begann die professionelle Ausbildung von Krankenschwestern. In wegweisenden Schriften machte die Britin deutlich, dass neben ärztlichem Wissen auch pflegerisches Wissen wichtig ist.

Rund 150 Jahre sind seitdem vergangen. Menschen, die das Pflegen zum Beruf machen, werden auch heute dringend gebraucht. Und zwar immer mehr von ihnen: Denn die Gesellschaft wird älter, die Krankenhäuser werden voller, Altenheime und ambulante Pflegedienste wichtiger.

Sigrid Grau war zehn Jahre alt, als sie Krankenschwester werden wollte. Der Vater war dagegen, erzählt die 61-Jährige. Er warnte sie: „Von Wohltätigkeit kann man nicht leben.“ Es half nichts. Sigrid Grau besuchte die Krankenpflegeschule. Später, mit 42 Jahren, wechselte sie in einen nicht weniger fürsorglichen Beruf: Sie wurde Altenpflegerin, ist heute Wohnbereichsleiterin im Sofienheim der Diakonie Fürth am Südstadtpark.

Früher waren die Heime voll mit Quereinsteigern, sagt Grau. Man schätzte Frauen, die schon Lebenserfahrung haben. Heute gehören überall junge Auszubildende zum Personal. Aber noch immer sind Quereinsteiger willkommen. Mitunter hilft das Alter, das Vertrauen der Bewohner zu gewinnen. Manchen, so Grau, falle es leichter, sich von älteren Pflegekräften waschen zu lassen. Die Offenheit bei den Bewerbern trägt vermutlich dazu bei, dass sich eine Fehleinschätzung hartnäckig hält: „Den Beruf kann doch jeder machen.“ Sigrid Grau und Silvia Busch (53), Pflegekraft im selben Heim, widersprechen entschieden. „Es ist ein psychisch und physisch anstrengender und sehr verantwortungsvoller Beruf. Einer, bei dem man nicht glücklich wird, wenn man damit nur Geld verdienen will.“

Anders als früher kommen die meisten Menschen heute erst sehr spät ins Heim, oft in einem sehr geschwächten Zustand, mit verschiedensten Krankheiten, was die Pflege aufwendiger macht. Medizinisches Interesse ist unabdingbar; es sind die Pflegekräfte, die entscheiden müssen, wann ein Arzt eingeschaltet wird, und ihn richtig informieren müssen. Dafür müssen sie die Bewohner genau beobachten und Anzeichen richtig deuten. „Wenn einer verwirrt wirkt, kann das daran liegen, dass er zu wenig getrunken hat“, erklärt Grau.

Eine große Portion Humor

Die Haut der alten Menschen muss genau angesehen, die Position beim Liegen regelmäßig verändert werden, damit es zu keinen Druckstellen kommt. „Die Ausbildung ist ungemein wichtig, das wird von außen oft nicht so anerkannt“, sagt Busch. Zu den pflegerischen Fähigkeiten kommen andere: Einfühlungsvermögen ist gefragt. Gerade wenn Menschen dement sind, ist es wichtig, Bedürfnisse zu erkennen, auch wenn sie nicht ausgedrückt werden. „Man muss eine Beziehung aufbauen, zuhören – aber auch verarbeiten, dass Leute sterben“, sagt Busch.

Und es geht darum, Lebensfreude zu schenken, ergänzt Grau, deren Lachfalten um die Augen verraten, dass ihr das nicht schwer fällt. Humor ist ganz wichtig, bestätigt Katharina Szczepaniak-Yaz. Die 30-Jährige wird im September die Ausbildung zur Pflegekraft beginnen und hat sich ihren künftigen Arbeitsplatz schon genau angeschaut. Bisher hat sie in dem Heim als Betreuungskraft gearbeitet, hat sich also ans Bett der Bewohner gesetzt, für sie gesungen, mit der Feenharfe gespielt, sie den Duft frisch gebackener Waffeln riechen oder die Berührung durch Federn oder Tücher auf der Haut spüren lassen. In manchen Momenten hat sie auch einfach nur die Hand gehalten – oder sich zurückgezogen, wenn Bewohner allein sein wollten. „Grenzen beachten“, auch das muss eine Pflegekraft unbedingt können, glaubt Katharina Szczepaniak-Yaz.

Ebenso wie Sigrid Grau und Silvia Busch erlebt sie die Arbeit als sehr erfüllend und bereichernd: „Man kriegt was zurück. Das ist herrlich, wenn die Bewohner anfangen, zu erzählen!“

Dass es spezielle Betreuungskräfte gibt, sei ein Segen, sagen Busch und Grau. Denn eines fehlt ihnen in ihrem Traumberuf: Zeit. „Man wünscht sich mehr davon.“ Bei den pflegerischen Aufgaben und der aufwendigen Dokumentation fehlt die Zeit, sich einfach mal zum Bewohner zu setzen, „ohne ein schlechtes Gewissen zu haben“, wie Grau sagt, dass das auf Kosten der anderen gehe.

Dass diese „Spannung“ aus dem Alltag herausgenommen wird, das wünschen sie sich sehr, sagen die drei Kolleginnen. Mehr Personal wäre nötig, so Grau: „Da können Sie fragen, wen Sie wollen.“

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