Polizeichef Messing: Darum ist Fürth "sicherste Großstadt"

23.3.2017, 06:00 Uhr
Jahr für Jahr darf sich Fürth über den Titel "sicherste Großstadt" freuen.

© Thomas Scherer Jahr für Jahr darf sich Fürth über den Titel "sicherste Großstadt" freuen.

Fürth ist zum 13. Mal in Folge die sicherste Großstadt in Bayern. Gibt es eigentlich Tage, an denen Ihnen langweilig ist?

Messing: Nein, garantiert nicht. Fürth ist ja nicht kriminalitätsfrei. Das wäre ein Traum, das wird es leider nie geben.

Aber haben Sie manchmal den Eindruck, in einer Kleinstadt zu arbeiten – und nicht in einer Großstadt?

Messing: So empfinde ich es nicht. Ich würde eher sagen: Fürth ist übersichtlich. Aber knapp 6000 Straftaten im Jahr sind auch ’ne ganze Menge und immer noch viel zu viele. Wir leben nicht im Paradies.

Fürths Polizeichef Peter Messing.

Fürths Polizeichef Peter Messing. © Hans-Joachim Winckler

Die beste Statistik verblasst vermutlich auch, wenn man die Fälle dahinter kennt.

Messing: So ist es. Die Fälle von Gewalt, insbesondere auch der häuslichen Gewalt. Oder die Wohnungseinbrüche, die jeden Einzelnen stark belasten. Manche wechseln hinterher sogar die Wohnung, weil sie sich nicht mehr sicher fühlen. So etwas möchte ich nicht erleben, ich weiß nicht, wie ich da reagieren würde.

Schauen wir uns trotzdem noch mal die Statistik an: Es passieren – seit Jahren – weniger Straftaten als andernorts. Sind die Fürther so friedliebend oder ist die Polizei hier so furchteinflößend?

Messing: Man könnte vermuten, dass die Fürther rechtstreuer sind als andere. Aber das müsste man detailliert untersuchen. Eine einfache Erklärung gibt es für das Ergebnis nicht, dazu ist die Kriminalstatistik zu komplex. Ich hoffe nicht, dass wir so furchteinflößend sind – aber wir wollen unsere Arbeit gut machen und uns so Respekt verschaffen.

Vielleicht wirkt es nur im ersten Moment paradox, dass die sicherste Großstadt in Bayern direkt neben der unsichersten – Nürnberg – liegt. Ist Fürth zu unattraktiv für Kriminelle?

Messing: Das würde ich nicht sagen. Fürth ist dank der neuen Einkaufsmöglichkeiten attraktiver geworden. Wir hatten eigentlich angenommen, dass es damit auch mehr Diebstähle geben würde.

Woran liegt es, dass Fürth und Nürnberg so unterschiedlich abschneiden?

Messing: Nürnberg hat ganz andere strukturelle Gegebenheiten. Es gibt das Rotlichtmilieu, Großraumdiscos, den Hauptbahnhof als Anziehungspunkt, eine größere Innenstadt und Veranstaltungen wie den Christkindlesmarkt mit riesigen Menschenmengen. Die Stadt ist größer und unübersichtlicher. Es gibt dort auch mehrere Polizeidienststellen, die ihre Zusammenarbeit immer wieder koordinieren müssen. Wenn es, wie in Fürth, nur eine Polizeiinspektion gibt, ist manches leichter. Einen Teil des Erfolgs schreiben wir uns aber schon auch selbst zu.

Was also ist Ihr Rezept?

Messing: Wir werten täglich die geschehenen Straftaten genau aus. Wenn sich beispielsweise Brennpunkte oder eine Serie abzeichnen, gehen wir das konzentriert mit verschiedenen Maßnahmen an, etwa bei Sachbeschädigungen oder jüngst bei einer Reihe von Autoaufbrüchen in der Karolinenstraße. Wichtig ist uns auch die Prävention, zum Beispiel durch unsere Jugendarbeitsgruppe direkt an den Schulen. Der Gesamterfolg ist aber im Wesentlichen ein Produkt der guten Zusammenarbeit mit den städtischen Ämtern, den Schulen, der Justiz, der Kinderarche … Man tauscht sich aus, wir nutzen die kurzen Wege. Positiv wirkt sich auch aus, dass Schutz- und Kriminalpolizei in einem Haus sind und gut zusammenwirken. In Fürth stimmt das Gesamtpaket.

Es hat sich herumgesprochen, dass Fürth bei der Aufklärung von Fahrraddiebstählen vorbildlich ist. Was machen Sie anders?

Messing: Fahrradexperten gibt es in mehreren Orten, wir waren sicher nicht die alleinigen Erfinder. Aber im Ballungsraum haben wir uns relativ schnell dafür entschieden, einen Sachbearbeiter auf diese Fälle zu spezialisieren. Es sind viele Detailkenntnisse nötig. Dahinter verbirgt sich eine akribische Recherche im Einzelfall und die unermüdliche Kontrolltätigkeit der Streifenbeamten.

Regensburg ist kaum größer als Fürth, schneidet aber ähnlich schlecht ab wie Nürnberg. Woran liegt das?

Messing: Ein Teil der Erklärung ist, dass Regensburg – wie auch Augsburg – eine exponierte Stellung hat, ein breites Umland. Suchen Kriminelle dort urbane Strukturen, landen sie eben in Regensburg oder Augsburg. Bei uns verteilt sich das auf drei Städte, die quasi zusammengewachsen sind: hauptsächlich Nürnberg, aber auch Erlangen und Fürth. Allerdings lässt sich nicht alles damit erklären.

Obwohl die Stadt glänzend dasteht und die Zahl der Delikte sogar zurückging, fühlen sich manche Fürther weniger sicher. In einer Bürgerbefragung des Rathauses wurde 2016 die Kategorie "Schutz vor Kriminalität" schlechter bewertet als 2012. Zufrieden waren 70,6 Prozent, vier Jahre vorher waren es noch 81,6 Prozent. Wie erklären Sie sich das?

Messing: Für das Sicherheitsgefühl ist nicht nur das engste Umfeld entscheidend. Gerade die Terroranschläge in Paris, Ansbach, Berlin dürften nachwirken. In der Silvesternacht gab es die Übergriffe in Köln. Wenn die Umfrage kurz nach so einem Ereignis durchgeführt wird, hat das ebenso Einfluss wie wenn man in Fürth von erschreckenden Fällen hört — etwa dem Mord an dem Obdachlosen, der Randale vor dem Rathaus Ende 2016, bei der 15 Streifenwagen im Einsatz waren, oder dem Überfall auf junge Leute kürzlich am Obstmarkt.

Wie lässt sich das Sicherheitsgefühl verbessern?

Messing: Indem man der Angst immer Fakten entgegensetzt. Und mit einer sachlichen Berichterstattung. Aber auch mit einer höheren Polizeipräsenz, schnellen Fahndungserfolgen, einer gut arbeitenden Justiz. Ich glaube auch, dass der neue Ordnungsdienst in Fürth dazu beitragen wird. Ein wesentlicher Punkt ist für mich außerdem eine saubere Stadt: dass man etwa Spuren von Zerstörung oder Graffiti schnell beseitigt, Unterführungen sauber und hell beleuchtet sind.

Es gibt ja eine große Angst, von Fremden aus heiterem Himmel angegriffen zu werden. Wie wahrscheinlich ist das?

Messing: Häufig gibt es eine Vorbeziehung. Dass man so überfallen wird wie die jungen Leute am Obstmarkt, ohne dass man sich kennt oder gestritten hat, ist die große Ausnahme. Wenn es zu Gewalt zwischen Fremden kommt, geht oft ein Wortwechsel voraus.

Besser ist es, zu schlucken und weiterzugehen?

Messing: Wenn einer aggressiv wirkt, ist es in der Regel besser, dem Streit aus dem Weg zu gehen, als vermeintlich heldenhaft Kontra zu geben. Das ist auch keine Schwäche.

Welche Entwicklungen bereiten Ihnen Sorge in Fürth?

Messing: Von der Quantität her eigentlich keine Entwicklung. Aber mit Blick auf das Leid der Betroffenen ist jeder Einbruch einer zu viel. Sorge bereitet mir außerdem die Verrohung der Sprache in sozialen Medien und auf der Straße, ob das nun Respektlosigkeiten gegenüber Polizei und Rettungskräften sind oder der Bürger untereinander. Auch Phänomene wie Cybermobbing. Viele posten unüberlegt die übelsten Beleidigungen. Für mich ist das die Vorstufe von Gewalt: Je mehr die Sprache verroht, desto leichter geht das in Gewalt über.

Ein Kollege von Ihnen sagte mal, bei der Fürther Polizei ist die Identifikation mit der Stadt sehr groß: Viele Beamte sind aus Fürth und wollen auf ,ihre‘ Stadt Acht geben. Was bedeutet ihnen der Titel?

Messing: Das stimmt. Bei uns kommen viele Beamte aus Fürth oder dem Landkreis. Nürnberg hat da ein viel größeres Einzugsgebiet. Der Titel ist für uns natürlich eine Bestätigung unserer Arbeit. Und ein Ansporn. Zufrieden aber dürfen wir damit nicht sein. Das wäre der Anfang einer negativen Entwicklung.

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