Polizeigewalt in Fürth? Jahn-Fans erheben schwere Vorwürfe

10.10.2018, 15:44 Uhr
Aus Solidarität mit einem verletzten Regensburger Fan und als Zeichen gegen die aus ihrer Sicht unverhältnismäßige Gewalt der Polizisten haben rund 150 Fans des Jahn am Samstag den Gästeblock in Fürth verlassen.

© Sportfoto Zink / MeZi Aus Solidarität mit einem verletzten Regensburger Fan und als Zeichen gegen die aus ihrer Sicht unverhältnismäßige Gewalt der Polizisten haben rund 150 Fans des Jahn am Samstag den Gästeblock in Fürth verlassen.

Rund 15 Verletzte, Polizisten, die mit Schlagstöcken und Reizgas gegen Fußballfans vorgingen, und ein Protest der mitgereisten Anhänger, die daraufhin den Block verließen: Neben dem spielerisch eher mauen 1:1 sorgte die Partie zwischen der SpVgg Greuther Fürth und dem SSV Jahn Regensburg am Samstag eher wegen der Vorkommnisse rund um die Anreise der Gästefans für Aufregung. Wie die Polizei erklärte, hätten Anhänger des Zweitligisten versucht, auf der Anreise ins Stadion eine Absperrung zu durchbrechen. Zudem seien Beamte mit Straßenschildern und Glasflaschen beworfen worden. Anschuldigungen, gegen die sich die Fans nun wehren.

In ihrer Schilderung der Umstände erheben die Ultras Regensburg schwere Vorwürfe gegen die Polizisten, speziell gegen die Beamten des Unterstützungskommandos (USK), und kritisieren auch die Berichterstattung der Medien. "Diverse regionale und überregionale Medien" berichteten auf Basis des Polizeiberichts von den Vorkommnissen am Samstag und sollen sich "ohne weitere ernsthafte Recherche" an den vorliegenden Informationen bedient haben, so die Ultras. Die Orientierung an den vorliegenden Informationen der Beamten ist allerdings gängige Praxis, da die Polizei schon am Samstag mit einem Pressebericht an die Öffentlichkeit ging.

Von Seiten des SSV Jahn Regensburg hingegen war bislang noch keine ausführliche Stellungnahme zu bekommen, weil der Verein die große Menge an Informationen erst noch sammeln muss. "Seit Samstag ist bei uns eine Vielzahl an Nachrichten von Fans mit unterschiedlichstem Hintergrund eingegangen", teilt der Zweitligist mit und erklärt weiter: "Sie beschreiben die Erlebnisse rund um das Spiel sehr detailliert und kritisieren dabei übereinstimmend das Vorgehen des USK. Die Schilderungen entsprechen den Beobachtungen der für die Fanbetreuung zuständigen Mitarbeiter und weiterer Ansprechpartner".

Schläge ohne Vorwarnung

Im Statement der Ultras heißt es, die Fans hätten entgegen der Darstellung im Polizeibericht auf der Anreise nicht versucht, eine Absperrung zu durchbrechen. "Wie bei den vergangenen Partien in Fürth wollten wir vom Bahnhof zu Fuß zum Stadion gehen. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde uns nirgendwo auch nur im Ansatz mitgeteilt, dass dies diesmal nicht möglich sei". Stattdessen sollen die Beamten versucht haben, die Gästefans in Shuttlebusse zu drängen. Dabei versuchten Regensburger Fans, an den Bussen vorbei doch noch zu Fuß ins Stadion zu gelangen - woraufhin "das USK ohne Vorwarnung in die Offensive ging und massiv auf Jahnfans einschlug", wie die Ultras schildern.

Auf Nachfrage erklärte das Polizeipräsidium Mittelfranken, dass sich Regensburger Fans durchaus frei in der Stadt bewegen konnten: "Lediglich der Regensburger Ultra-Gruppierung wurde aufgrund bestehender Sicherheitsbedenken ein Marsch durch die Innenstadt untersagt". Als die Oberpfälzer ankamen, habe die Polizei zudem mit Lautsprecheransagen darauf hingewiesen, die Shuttle-Busse ins Stadion zu benutzen - eine Aufforderung, der laut Polizeisprecherin rund "300 der 400 angereisten Gästefans auch problemlos" nachkamen.

Polizei wehrt sich gegen Vorwürfe

Auch Beschwerden über "äußert aggressiv auftretende" Beamten, wie die Ultras Regensburg sagen, weist das Polizeipräsidium zurück, es seien zudem noch keine Anzeigen diesbezüglich bekannt. "Die Polizei richtete von Anfang an ihr Vorgehen auf deeskalierendes Verhalten aus", so eine Sprecherin. Das sehen die Gästefans allerdings anders.

Einem Mitglied der Regensburger Fan-Gruppierung soll von hinten auf den Kopf geschlagen worden sein, er zog sich eine Schädelprellung, Einblutungen in Hals und Nacken sowie eine leichte Gehirnerschütterung zu. Dabei hätte es der Stellungnahme zufolge noch schlimmer enden können: "Der behandelnde Arzt wies darauf hin, dass bei einem zwei Zentimeter höheren Treffer die Schädeldecke eingeschlagen worden wäre". Die Fans beteuern indes, dass von "gezielten Angriffen auf Polizeibeamte definitiv nicht die Rede sein kann".

Im Pressebericht sprach die Polizei allerdings zunächst von rund 15 Personen mit "leichten Verletzungen". Dies basiert auf den Feststellungen des im Stadion anwesenden Sanitätsdienstes. Tatsächlich ist inzwischen auch bekannt, dass "sich zwei Personen zur ambulanten Behandlung ins Krankenhaus begeben" haben. Eine weitere Person habe ärztliche Hilfe seitens der Polizei abgelehnt. Die drei verletzten Beamten zogen sich im Übrigen lediglich leichte Verletzungen zu und sind weiterhin dienstfähig, wie die Polizei erklärt.

Massiver Einsatz von Reizgas

Auch am Stadion angekommen beruhigte sich die Lage nur bedingt. Ein Fan der Regensburger wurde direkt aus dem Bus heraus abgeführt und festgenommen - wegen versuchten Totschlags, wie die Ultras die Darstellung des USK zitieren. Die Fans werfen den Beamten vor, diesbezüglich "gezielt die falsche Information" verbreitet zu haben, "vermutlich um die Situation weiter aufzuheizen". Aus Solidarität haben schließlich während des Spiels rund 150 Gästefans den Block verlassen und sich hinter den Eingang gestellt. Hier eskalierte die Lage erneut: "Nur wenige Augenblicke später schlugen die Beamten auf alles und jeden ein, der ihnen in die Quere kam", kritisiert die Ultra-Gruppierung.

Hierbei ist erneut ein Regensburg-Fan verletzt worden, er musste mit einer Gehirnerschütterung, Prellungen und Schürfwunden in die Notaufnahme. Die Ultras verurteilen zudem den massiven Einsatz von Pfefferspray seitens der Beamten, der "derart flächendeckend und rücksichtslos" war, "dass selbst auf der Tribüne noch Leute damit zu kämpfen hatten". Hier bestätigt eine Sprecherin, dass es zu einem Einsatz des Pfeffersprays kam - "inwieweit dabei Unbeteiligte zu Schaden kamen ist derzeit nicht bekannt". Beschwerden hierzu lägen den Beamten jedenfalls aktuell nicht vor.

Risikospiel und Kirchweih

Tatsächlich war das Polizeiaufgebot beim Spiel am Samstag besonders hoch. "Das Spiel wurde als Risikospiel eingestuft, deshalb gab es einen erhöhten Kräfteansatz", erklärte das Polizeipräsidium. Bereits im Vorfeld habe die Polizei "Hinweise auf mögliche Auseinandersetzungen" erhalten, hinzu kam noch die Fürther Kirchweih, auf der vor und nach dem Spiel auch Regensburg-Anhänger waren.

Das Fanprojekt Regensburg kündigte an, die Zuschauer zu unterstützen und bittet Zeugen, ein Gedächtnisprotokoll zu den Vorfällen vom Samstag abzugeben. Die Einrichtung spricht ebenfalls von "eskalierendem Verhalten der Polizeibeamten gegenüber Fans des SSV Jahn". Insgesamt sechs Personen sind am Samstag festgenommen worden, vier davon waren gewaltbereite Kleeblatt-Fans. Nähere Erkenntnisse hierzu liegen noch nicht vor, am Samstag aber betonte Immanuel Kästlen, Pressesprecher der SpVgg Greuther Fürth, mit allen Beteiligten in den Dialog treten zu wollen, "um die Vorkommnisse entsprechend zu analysieren und aufzubereiten". Der Weiß-Grüne Hilfefonds - eine von Fans gegründete Organisation aus Fürth, die Anhängern unter die Arme greifen möchte, die mit der Polizei in Konflikt gekommen sind - veröffentlichte ebenfalls eine Stellungnahme und sprach von "lediglich präventiven" Festnahmen, die mit dem Polizeiaufgabengesetz begründet worden sei.

Kritik auch von der Fürther Fanszene

Die Schilderungen der Fürther Fanorganisation decken sich im Wesentlichen mit denen der Regensburger Seite. "Wir beobachten bei Heimspielen seit einigen Wochen eine härtere Gangart der Polizei", erklären sie. "Wir als Solidargemeinschaft versuchen selbstverständlich auch Gästefans zu unterstützen und für diese eine Öffentlichkeit zu erzeugen", so der Hilfefonds weiter.

Die Organisation prangert an: "Bisher wurde Gästefans immer die Wahl zwischen einem Marsch oder den zur Verfügung gestellten Shuttlebussen gelassen. Sicherlich ist es aus Polizeisicht nachzuvollziehen, dass die Polizei eine größere Gruppe Jahnfans nicht durch die Fürther Kirchweih laufen lassen wollte". Der Hilfefonds glaubt, eine bessere Kommunikation hätte zur Deeskalation beigetragen: "Uns stellt sich die Frage, warum diese nicht gesucht wurde. Sowohl das Fanprojekt Regensburg, als auch der Fanbeauftragte waren vor Ort und wurden von der Polizei nicht als Kommunikator gesucht". Diesen Vorwurf weist die Polizei aber ebenfalls zurück: "Bei der Ankunft wurden Gespräche zwischen der polizeilichen Einsatzleitung und Verantwortlichen der Fanszene geführt", erklärte das Polizeipräsidium.