Popstar unter Druck

28.7.2014, 16:00 Uhr
Popstar unter Druck

© Hans-Joachim Winckler

Was braucht ein Popstar, um sich für immer und ewig in die Herzen der Jugend zu spielen? Er oder sie muss nicht nur toll singen und durch sämtliche Betten kraulen. Nein, er/sie sollte obendrein aus verkrachtem Elternhaus stammen, als Pubertierender ein verachtetes Außenseiterdasein gefristet haben, dafür aber sein musikalisches Talent von oben geschenkt bekommen statt hart erarbeitet haben. Um sodann kurz und intensiv wie ein Komet zu leuchten und alsbald jung – möglichst im Idealalter von 27 Jahren – zu verglühen. Dann sind einem Filme, Romane und Theaterstücke sicher.

Unter den Dauergästen des „Club 27“ – Jimi Hendrix, Brian Jones, Janis Joplin, Jim Morrisson und Kurt Cobain – nimmt Amy Winehouse eine Sonderrolle ein. Keine hat mit derartig wenig Platten (gerade zwei Stück) für derart Furore gesorgt. Ihr Erfolgsgeheimnis war die Kluft zwischen ihrem jugendlichen Aussehen, der Bienenkorb-Frisur aus den 60er Jahren und ihrer Stimme. Wer diese Stimme allein aus der Box vernahm, assoziierte eine versoffene alte, vom Leben und zahllosen Affairen und Abstürzen gezeichnete Barsängerin, die sämtliche Etablissements zwischen Soho und der Bronx abgeklappert hat. Ein Effekt, der vor bald fünfzig Jahren schon bei Steve Winwood zu bestaunen war. Aber der gute Steve lebt ja noch und macht weiterhin Musik.

Amy Winehouse erkor der Theater Jugend Club Fürth unter der Regie von Sue Rose zum weiteren Objekt der künstlerischen Projektionen. Und wie schon bei „Kurt und Robert“ (über Kurt Cobain und Robert Walser) gibt es keine stringente Biografie, sondern kurze Szenen, die wie ein Brennglas das Leben und Erleben eines undisziplinierten Mädchens vom hässlichen Entchen zum stolzen Schwan und zur Schnapsleiche nachzeichnen.

Viele Akteure

 

So ziemlich jede der sieben Darstellerinnen (und sogar einer der vier jungen Herren) darf in die Rolle der Amy schlüpfen. Wir sehen sie als Kind, wie sie um Aufmerksamkeit buhlt und ihre Eltern frustriert; wie sie in der Schule Quatsch macht (eine trefflich beobachtete Szene: nie war Mathe lustiger), beim Vorsingen scheitert – und auf einmal groß herauskommt.

Aber eben: Nicht der Star erschafft sich selbst, die Medien machen ihn dazu. Die teilen sich in drei Blöcke: in die blasiert-pomadigen Besserwisser, in die sensationsgeile Regenbogenpresse, sowie in die akkurat-nüchterne „Tagesthemen“-Nachrichtenaufbereitungsanlage vom Typ Ulrich Wickert.

Wofür steht Amy Winehouse? In Gesang- und Tanzeinlagen symbolisieren vier Paare die schillernden Facetten der Sängerin. Das Verhältnis Mann und Frau, mal als spielerische Umgarnung, als Machtkampf, als brutale Unterjochung oder als Idolisierung einer Unerreichbaren. Wunsch- und Idealprojektionen, die der Wirklichkeit nicht standhielten. Ihren Zusammenbruch kommentieren Ärzte und Psychologen mitleidlos an der halbtoten Patientin, bis die Todesnachricht wie die Einlösung einer selbsterfüllenden Prophezeihung eintrifft.

Dem Finale schließt sich ein Satyrspiel an, Amys Geliebter muss die Rolle des medialen Sündenbocks übernehmen und eine Last tragen, die auf mehrere Schultern gehört. Da schließt sich auch der Kreis zum Anfang, als Amys Vater die Todesnachricht proklamiert. Ironie der Geschichte: Ganz zum Schluss säuselt Abba aus den Boxen: „Thank you for the Music“. Nicht gerade Retro-Soul.

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