Porträts, die Mut machen

14.8.2015, 21:00 Uhr
Porträts, die Mut machen

© Foto: Riemann

Kahle, weiße Krankenhauswände sind bedrückend, deshalb werden sie heute oft mit bunten Bildern aufgehübscht. Aber sind austauschbare Tier-, Blumen- und Landschaftsbilder nicht genauso langweilig?

Das fand jedenfalls Chefarzt der Frauenklinik, Professor Volker Hanf, als es vor fünf Jahren um die Gestaltung der Station 20, der gynäkologischen Onkologie im neugebauten Nathanstift, ging. „Das Mosaik mit Bildern von in Fürth geborenen Menschen im Eingangsbereich der Frauenklinik ist sehr beliebt, deshalb haben wir für unsere Station nach etwas Ähnlichem gesucht“, erzählt er.

Zusammen mit der Fotografin Ricarda Hager, die bereits an dem Mosaik beteiligt war, hatte er die Idee, die Wände mit Porträts ehemaliger Patientinnen zu schmücken. Fortan bekamen die Frauen auf der Station einen Flyer in die Hand gedrückt: „Menschen/Modelle für Foto-Porträt-Ausstellung gesucht“, war darauf zu lesen. Und weiter: „Unter dem Motto ,mein schönster Moment‘ können alle Frauen mitmachen, die in unserer Abteilung in Behandlung waren.“

Fünf Jahre lang fotografierte Ricarda Hager Frauen, die sich bei ihr meldeten. Bild für Bild füllten sich die Wände. „Ich habe so manche Träne mit den Frauen vergossen, als wir über ihre Geschichte sprachen“, erinnert sich Hager, sie habe versucht, jede Frau passend zu ihrem persönlichen schönsten Moment abzulichten. „Ich habe nichts retuschiert.“

Von den Porträts geht eine enorme Kraft aus: die Kraft von Menschen, die eine schwere Krankheit überstanden haben oder gelernt haben, mit ihr zu leben. Auffallend sind die strahlenden Augen aller Frauen, egal ob alt oder jung, egal ob sie die Krankheit besiegt haben oder nicht. Die persönlichen Zitate zu den Bildern sind bewegend, vermitteln eine Zuversicht, eine Demut gegenüber dem Leben.

Tattoo als Erinnerung

„Mein schönster Moment im Leben? Als der Arzt ins Zimmer kam und sagte: Sie haben es geschafft!“, steht da zum Beispiel. Oder: „Lieben und geliebt werden ist das größte Glück im Leben“. Eine Frau zeigt mutig ihre operierte Brust, auf die sie einen Schmetterling tätowieren ließ, eine andere bestand darauf, sich noch im Klinikum mit dem weißen OP-Brustwickel fotografieren zu lassen. Auf dem Foto wirkt es, als hätte sie ein schickes, weißes Cocktailkleid an.

Die Aufnahmen berühren auch die Mitarbeiter: „Unsere Station wurde zu einem Teil im Leben dieser Patientinnen und mit ihren Bildern werden sie ein Teil unserer Station. Sie bleiben in unserem Gedächtnis, ihre einzelnen Schicksale erinnern uns täglich daran, dass unser Job keine Fließbandarbeit, sondern Arbeit an und für den Menschen ist“, sagt Hanf. „Ich sehe sie auch als Botschaft an meine jungen Ärzte, die frisch von der Uni kommen und denen noch die berufliche Prägung fehlt. Ihnen soll klar werden, dass wir hier keine Gesundheitsfabrik sind, sondern für jeden einzelnen Menschen da sind.“

Vom ersten Moment an zeigte die Ausstellung ihre Wirkung, das Klinikum bekam begeisterte Rückmeldungen. Ricarda Hager ist eine Geschichte besonders in Erinnerung: „Die Frau nahm sich nach ihrer Operation vor, jeden Tag auf dem Klinikflur ein Bild weiter zu gehen. Und hangelte sich so Tag für Tag durch die Ausstellung und zu ihrer Genesung.“

Weil inzwischen alle Wände gefüllt sind, luden Hager und Hanf ihre „Models“ zur offiziellen Ausstellungseröffnung ein. Viele kamen. Warum sie mitgemacht haben? „Das ist eine coole Idee – und wann fotografiert mich schon jemand so professionell?“, sagt eine ältere Dame, andere sprechen von Neugierde und Dankbarkeit. „Ich habe mich hier so gut betreut gefühlt“, sagt eine andere, „die Aktion war ein guter Abschluss für mich“.

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