Poser, ergebt euch!

26.1.2018, 17:37 Uhr
Poser, ergebt euch!

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Der Mensch unter Menschen, es ist und bleibt ein heikles Thema. Denn er performt, verstellt sich, zeigt, was andere sehen sollen, nur nicht sein wahres Ich. Es sind keine von Heiterkeit geschüttelte, Offenheit oder gar Warmherzigkeit versendende Zeitgenossen, die den Betrachter anblicken. Eher wird man Augen-Zeuge von Verstohlenheit und schlecht versteckter Missgunst. Doch Barbara Graber untersucht mehr als nur Mimik. Ihre Zeichnungen — Ölkreide mit Blei- oder Buntstift auf Karton — stellen erstaunlich genau Posen der Distinktion zur Schau. Recht hilfreich ist dabei, dass die Menschen im wahnwitzigen Bilderkosmos der gebürtigen Nürnbergerin nackt sind. Auf gruslig ehrliche Weise nackt.

Abgrundtiefe Neugier

Von "lustigen Akten" spricht die Künstlerin gleichwohl. "Das zutiefst Menschliche und das eigentlich Unsichtbare" fasziniert sie seit zehn Jahren, und in die Foerstermühle, Schauplatz ihrer ersten Einzelschau 2008, kehrt Graber nun zurück — mit ungebrochenem Heidenspaß am Demaskieren menschlicher Arten und Unarten. "Nein, nicht möglich!" heißt etwa eine Arbeit, ein Satz, den eine ältere Dame zu Graber sprach, "eine abgrundtief neugierige Frau ohne einen einzigen Funken von Empathie". Genau dies steht der Frau großformatig ins Gesicht geschrieben.

Niemand sitzt der Künstlerin, die in Wolkersdorf lebt, Modell. Doch fast alle, die ab diesem Wochenende in Thomas Foersters Kanzleiräumen zu sehen sind, sind Graber irgendwann und irgendwo begegnet. "Eine Arrogante nackt darzustellen macht sehr viel Freude", bekennt sie, jeden Tag bekomme sie neuen Input. Geradeheraus gesprochen: Wer Graber dumm kommt, darf sich nicht wundern, sich dereinst splitterfasernackt in einer Ausstellung wiederzufinden. Nicht Rache treibt sie an, sondern der Drang, sich ihren Mitmenschen so ehrlich wie möglich zu nähern. Dazu zählt das Unperfekte der entkleideten Körper. Graber: "Die detailgenaue Ausmalung pornografischer Details ist gang und gäbe. Was aber den puren Menschen ausmacht, sieht man in der Kunst viel zu selten." Ihre Frauen-Bilder entlarven den gesellschaftliche antrainierten Zwang zum Posieren, zugleich ermuntern sie, dem Mainstream-Schönheitsideal den gereckten Mittelfinger zu zeigen. Dass übrigens Männer in der Unterzahl sind, erklärt Graber so: "Sie sind formal nicht so interessant wie Frauen. Die Selbstdarstellung geht bei ihnen nicht über den Körper."

All dies kennen die Fürther aus zurückliegenden Graber-Schauen, etwa im Art-Kunstladen im City-Center oder im Kunstraum Rosenstraße. Auch die bei Foerster gezeigten neuen Werke aus den vergangenen zwei Jahren zeigen keine verblüffend neue Seite der Künstlerin; stark ist jedoch nach wie vor, mit welcher Intensität sie zwischenmenschliche Distanz vorzuführen versteht. "Warten" zeigt zehn Männer und Frauen — nackt, versteht sich — an einer Haltestelle, Menschen, die sich erkennbar deutlich wohler fühlen würden, wenn nur der Bus endlich käme. "Zu mehreren ist man oft einsamer als allein", kommentiert Graber lakonisch. "Jeder stirbt für sich allein" ist wiederum der Titel einer anderen Zeichnung: Ein verlebtes Ehepaar auf unsichtbarem Sofa, bräsig, die Blicke voneinander abgewandt, er mit Fernbedienung in der Hand. Der Abstand zwischen ihr und ihm ist mehr als nur eine mattgraue Fläche; es ist die Leerstelle eines viel zu lang miteinander gelebten Lebens.

"Einsamkeiten Zweisamkeiten": Galerie in der Foerstermühle (Würzburger Straße 3, www.ra-foerster.de/galerie.htm). Montags bis donnerstags 9-17 Uhr, freitags 9-14 Uhr. Bis 20. April.

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