Prickelnde Spannung bei den Fürther Jazzvariationen

27.10.2014, 11:30 Uhr
Prickelnde Spannung bei den Fürther Jazzvariationen

© Foto: Peter Romir

„Ich schwebe noch ganz in anderen Dimensionen“, schwärmt Festivalleiterin Annette Wigger mit Rückblick auf die bisherigen Konzerte in der Reihe „Akkordeon Grooves“, die in der vergangenen Woche zu Ende ging, „die Vielfalt ist einfach unglaublich!“

Das Akkordeon, dem die fünften Fürther Jazzvariationen diesmal ihre Hauptaufmerksamkeit gewidmet haben, ist ein unterschätztes Instrument. Weltweit verbreitet zwar, essentiell in der deutschen Volksmusik, im französischen Chanson oder im lateinamerikanischen Tango – und trotz allem immer etwas mit dem Ruf des Ersatz-Instrumentes behaftet: Ein Schifferklavier, eine Schweineorgel – kurz, etwas das man zur Hand nimmt, wenn kein richtiges Piano greifbar ist.

Dass das schlicht Quatsch ist, zeigte eindrucksvoll das Duo von Didier Ithursarry und Jean-Marie Machado. Der baskische Akkordeon-Spieler und der französische Pianist sind schon lange befreundet und musizierten oft in großen Combos zusammen. Doch ihre beiden so ähnlichen und doch so unterschiedlichen Instrumente pur aufeinander treffen zu lassen – das machen sie in Fürth überhaupt zum ersten Mal. Lässig, in knittrigen Hemden und mit Brille kommen die beiden auf die Bühne und begrüßen das Publikum in einer Mischung aus Französisch, Englisch und Deutsch. Vor jedem Song erzählt Machado oft nicht ganz nachvollziehbare Anekdoten über die Entstehung.

Gleichrangige Partner

Doch sobald sie sich an ihre Instrumente setzen, beginnt der Zauber. Akkordeon und Flügel erscheinen in den Händen dieser Virtuosen als durchaus gleichrangige Partner, die sich Melodien und Harmonien zuspielen, mal im sanften Einklang, mal wie Liebende, die anmutig umeinander werben, mal wie zwei Rivalen, die erbittert um die musikalische Vorherrschaft streiten.

Ithursarry sitzt dabei hochkonzentriert am Akkordeon und wirft nur ab und zu einen Blick zu Machado. Der spielt am Flügel wie eine Art Tai-Chi-Pianist: Hat eine Hand mal eine Sekunde lang nichts zu tun, gleitet sie sogleich in eleganten Kreisen durch die Luft. Und auch die Bewegungen seines Körpers scheinen weniger mit den physikalischen Notwendigkeiten des Klavierspiels zu tun zu haben, als mit einer tiefen, inneren Bewegtheit.

Klanglich ist das schwer zu fassen: Da gibt es collagen-artige Momente, in denen Machado mit Drumsticks direkt auf die Saiten des Flügels klopft, dann wieder klingt es wie verjazzte Volksmusik, mal donnern die beiden mit aller Kraft nach vorne, mal herrscht ein schwebender Traumklang. Diesem furiosen Auftakt des Konzerts folgt nach der Pause eine vergleichsweise konventionelle Zusammenstellung, die es aber auch in sich hat.

In seinem Quartett spielt Ithursarry mit Jean-Charles Richard am Sopransaxofon, Joe Quitzke am Schlagzeug und Matyas Szandal am Bass. Hier kommt das Motto der Reihe „Akkordeon Grooves“ wirklich zum Tragen.

Die meisten Nummern animieren hundertprozentig zum Kopfnicken und Fußwippen – wobei das Akkordeon in der großen Besetzung erstaunlicherweise weitaus mehr Raum für Soli bekommt als im vorhergehenden Duo-Konzert. Fazit: Zwei völlig unterschiedliche Konzerte in einem großen Rahmen, aber jedes auf seine Weise absolut mitreißend. Musikalische Eindrücke, die lange nachhallen werden.

Verwandte Themen


Keine Kommentare