Prozess: Opfer verlor Milz nach Messerstich

11.1.2018, 16:00 Uhr
Prozess: Opfer verlor Milz nach Messerstich

© Eduard Weigert

Wenn sich zwei Menschen erst hemmungslos betrinken und dann streiten, wissen sie später oft nicht mehr, was der Auslöser ihres Zanks war. Selbst wenn am Ende der eine notoperiert werden muss und der andere in U-Haft landet.

So war es bei Jonas V. und Damian R. (Namen geändert), zwei Männern um die 30, die sich im Februar letzten Jahres in einer Bar im Zentrum von Fürth trafen. Spät abends verließen sie diese streitend, draußen wurde es handgreiflich: Laut Zeugen prügelten sie sich mit Fäusten. Als Damian R. irgendwann auf Jonas V. saß, zog dieser plötzlich ein Klappmesser und rammte es R. in den Bauch – offenbar mit Wucht: Die Tiefe des Einstichs (acht Zentimeter) überstieg die Länge der Klinge.

Passanten verständigten Polizei und Notarzt. Jonas V. kam in U-Haft, Damian R. auf die Intensivstation, seine verletzte Milz musste entfernt werden. Sein Immunsystem ist dauerhaft geschwächt, fast ein Jahr später hat er noch Schmerzen. Trotzdem zeigte er Jonas V. nicht an. Vor Gericht machte er deutlich, dass er eine Bestrafung gar nicht wünscht.

Jonas V., angeklagt wegen versuchten Totschlags, beteuert, dass er Damian R. nicht umbringen wollte. Der muskulöse 32-Jährige hat nicht nur ein Problem mit Alkohol, sondern auch mit Alprazolam. Derartige Betäubungsmittel wirken meist beruhigend bis einschläfernd. Auch an besagtem Abend in Fürth hatte V. beides reichlich zu sich genommen.

Alkohol und Alprazolam verstärken sich gegenseitig, sagt Rechtsmediziner Bernd Schwarze von der Uni Erlangen-Nürnberg: "Man kann davon ausgehen, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten beeinträchtigt war." Das heißt: Jonas V. ist vermindert schuldfähig, er darf mit einer geringeren Strafe rechnen. Dem forensischen Psychiater Michael Wörthmüller erzählte V. von seinem unsteten Leben: Lange hielt er sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser, der Schritt in die Selbstständigkeit mit einer Reinigungsfirma ging schief. Oft leide er an Depressionen, Schlafstörungen und Panikattacken, die er mit Medikamenten, Schnaps und Bier zu bekämpfen versuchte. Wörthmüller hält eine stationäre Therapie für angebracht.

Die Schwurgerichtskammer verurteilt Jonas V. zu vier Jahren und sechs Monaten Haft – inklusive eines 18-monatigen Aufenthalts in einer Entziehungsanstalt, den er sofort antreten kann. Steht er die Therapie erfolgreich durch, kann er nach der Hälfte der Haftzeit auf Bewährung freikommen. Weil die knapp zehn Monate, die er in U-Haft sitzt, ebenfalls angerechnet werden, könnte er den Entzug als freier Mann verlassen.

"Gehen Sie die Therapie ernsthaft an", gibt ihm die Vorsitzende Richterin Barbara Richter-Zeininger mit auf den Weg. "Ein Kinderspiel wird das nicht." Das Urteil ist rechtskräftig.

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