Zirndorfer Flüchtlingskind: Angeklagte freigesprochen

27.5.2015, 19:30 Uhr
Im Berufungsprozess um den schwer kranken Flüchtlingsjungen wurden die Angeklagten freigesprochen.

© dpa Im Berufungsprozess um den schwer kranken Flüchtlingsjungen wurden die Angeklagten freigesprochen.

Der Fall könne nach mehr als drei Jahren nicht mehr vollständig aufgeklärt werden, sagte der Richter am Mittwoch am Landgericht Nürnberg-Fürth. Die Erkenntnisse reichten für eine Verurteilung nicht aus. Der Vater des kranken Kindes habe "die Sache im Nachhinein dramatisiert".

Am 18. Dezember 2011 bekam der eineinhalb Jahre alte Leonardo in einem Aufnahmelager für Flüchtlinge in Zirndorf (Kreis Fürth) Fieber. Ein Bereitschaftsarzt wurde gerufen, er verschrieb Zäpfchen, die jedoch erst am nächsten Morgen hätten abgeholt werden können.

Da ging es dem Jungen aber bereits so schlecht, dass sich die Eltern größte Sorgen machten: Sie wickelten das Kind, das bereits überall am Körper schwarze Flecken hatte, in eine Decke und liefen zur Pforte, um Hilfe zu holen.

Verzweifelter Vater

In einem Büro schlug man dem verzweifelten Vater nach eigener Aussage die Türe vor der Nase zu. In einem anderen Büro bekam er einen Krankenschein und die Kopie eines Stadtplans in die Hand gedrückt und wurde fortgeschickt. Die Eltern baten schließlich die Pförtner einen Notarztwagen zu holen, doch auch diese blieben untätig.

Die Eltern irrten schließlich vor der Erstaufnahmeeinrichtung mit ihrem kranken Sohn in winterlicher Kälte umher. Ein zufällig vorbeikommender Autofahrer erkannte die Notsituation und fuhr die Familie zum Arzt. Dort wurde eine schwere bakterielle Infektion festgestellt. Ein Krankenwagen brachte Leonardo sofort in die Fürther Kinderklinik. Dort stand zunächst nicht fest, ob der kleine Junge überleben würde.

Der damals Eineinhalbjährige wurde in ein künstliches Koma versetzt. Wochenlang lag er in Kliniken in Fürth und München. Zahlreiche Operationen und Hauttransplantationen folgten. Narben im Gesicht sowie fehlende Finger und Zehen werden den Jungen sein Leben lang zeichnen.

Mediziner zunächst freigesprochen

Der Fall wurde durch Flüchtlingsorganisationen aktenkundig, drei Mitarbeiter des Heimes sowie der Arzt wurden wegen fahrlässiger Körperverletzung und unterlassener Hilfeleistung vor Gericht gestellt.

Der Mediziner wurde im April 2014 vom Fürther Amtsgericht freigesprochen. Die beiden Pförtner und eine Verwaltungskraft kamen mit Geldstrafen in Höhe von jeweils 60 Tagessätzen davon. Die Staatsanwaltschaft hielt das Urteil für zu milde und ging in Berufung. Sie wollte, dass auch der Arzt zur Verantwortung gezogen wird. Auch die drei verurteilten Mitarbeiter legten Rechtsmittel ein.

Seit April wurde der Fall vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth mit zahlreichen Zeugen und Sachverständigen neu verhandelt.

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