Quarks, Liebe und Paralleluniversen unter Glühbirnen

21.1.2019, 19:20 Uhr
Quarks, Liebe und Paralleluniversen unter Glühbirnen

© Foto: Daniel Devicioglu

Marianne und Roland treffen sich. Sie ist Quantenphysikerin, er arbeitet als Imker. So viel, das kann man wohl mit Sicherheit behaupten, steht fest. Alles weitere entwickelt sich als Spiel mit Hypothesen.

Der 34-jährige Autor Nick Payne erzählt vom gleichen Ausgangspunkt aus die Beziehung der beiden immer wieder anders. So wird zum Beispiel das Kennenlernen des Paares bei einem Grillabend in allen denkbaren Variationen vorgestellt — von spontaner Verliebtheit, über innige Ablehnung bis zu kompletter Gleichgültigkeit.

Das Muster erscheint vertraut. Wer hat denn noch nie in Gedanken seine Erlebnisse neu arrangiert und überlegt, was gewesen wäre, wenn . . . Doch diese kurzen Bühnenszenen, die multiple Möglichkeiten einer bestimmten Situation anbieten, sind keine Versuchsanordnung nach dem Schema "Hätte-Hätte-Fahrradkette". Dahinter steckt vielmehr ein Ausflug in komplexe Theorien: Dazu gehören ein bisschen Quantenmechanik, ein paar Quarks und ein Blick in schwarze Löcher.

Glücklicherweise muss man nicht die Werke von Stephan Hawking als leichte Bettlektüre betrachten, um Nick Payne folgen zu können. Ehrlich gesagt, muss man nicht einmal das dank kluger Texte zum Thema außerordentlich dickleibige Programmheft studieren. Es reicht eigentlich vollkommen, sich für einen Moment vorzustellen, dass unser Universum nur eines von vielen ist und jeder von uns einen Doppelgänger in einer anderen, sehr fernen Welt hat.

An den Grenzen

Eine Idee, die schnell die Grenzen unseres Hirns spüren lässt, die der Autor aber mit der größten Selbstverständlichkeit durchspielt. Noch erstaunlicher ist eigentlich, dass der Ablauf dieses Stücks nicht im mindestens verwirrend wirkt, trotz ständiger Vor-, Seit- und Rückblendungen. Das schönste an dieser Aufführung ist allerdings, Suzanne von Borsody und Guntbert Warns bei der Arbeit zu beobachten.

Die beiden zelebrieren die Feinheiten der Schauspielkunst. Es sind oft bloß Nuancen, eine andere Haltung, eine kaum veränderter Ton, doch schon hat sich die scheinbar bekannte Situation gedreht, bekommt einen völlig neuen Anstrich.

Im Bühnenhimmel schweben ungezählte Glühbirnen, romantische Naturen mögen einen Sternenhimmel darin sehen. So oder so wird es melodramatisch werden, wenn sich abzeichnet, dass Marianne krank ist und nicht mehr lange leben wird.

Sie leidet unter Wortfindungsstörungen und was ihr partout nicht mehr einfällt, scheint der Begriff "Entscheidung" zu sein. Bezeichnend genug in diesem denkwürdigen Diskurs, der sich auch an der Frage versucht, ob der Mensch einen freien Willen hat. Die Antwort bleibt Nick Payne schuldig. Genau so wenig hält er sich damit auf, sein Stück mit irgendeiner Botschaft zu befrachten. Die gibt’s vielleicht in einem anderen Universum. In diesem war der Abend zumindest sehr unterhaltsam.

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