Quelle-Model: Film suchte die Frau mit der Trockenhaube

19.4.2018, 06:00 Uhr
Quelle-Model: Film suchte die Frau mit der Trockenhaube

© Foto: Quelle

Am Anfang war ein Bild: Das Foto einer Frau mit der Privilleg-Trockenhaube für 49,50 Mark stammt aus den siebziger Jahren. Es wirkt heute schon fast wieder modern. Retro ist schließlich angesagt.

Auf einem Flohmarkt im Sauerland fiel der niederländischen Filmemacherin Susanne Helmer (40) vor Jahren die mit dem Foto versehene Schachtel der Föhnhaube in die Hände. Das darauf abgebildete Model sieht jung aus und schüchtern – "nicht so, als sei es ihr Lebensziel, ein Fotomodell zu sein", meint Helmer.

Ausgehend von der Zufallsbegegnung auf dem Flohmarkt, begann sie mit der Suche nach der Unbekannten und deren Biografie. Die Filmemacherin, die Kunstgeschichte studiert hat und über das Radio zum Fernsehen gekommen ist, machte sich 2009 auf nach Fürth und zu den Wurzeln des Versandhandels.

Nach einen Aufruf in den Fürther Nachrichten meldeten sich gleich mehrere ehemalige Quelle-Fotografen, die sie bei ihrer Recherche unterstützten. So fand Helmer heraus, dass das Model aus Nürnberg stammt, wo deren Eltern ein Modegeschäft führten. Da die junge Frau im Gegensatz zu vielen auswärtigen Kolleginnen auch kurzfristig für Fotoaufnahmen zur Verfügung stand, sei sie bei Quelle sehr gefragt gewesen. Auch für Küchen und Möbel posierte sie.

Die Fotografen erinnerten sich an die Offenheit und Freundlichkeit des Models, von dem Susanne Helmer angenommen hatte, dass es sich um eine gewöhnliche Quelle-Mitarbeiterin handelte, die sich mit den Fotos etwas dazuverdienen wollte. Die Filmemacherin konnte Kontakt zum Bruder des Models aufnehmen, von dem sie erfuhr, dass seine Schwester 1981 ausgewandert ist. Susanne Helmer reiste um die halbe Welt, um die Frau mit der Trockenhaube zu treffen. Ob ihr das gelang, soll erst im Film verraten werden.

Jede Menge Material für die 73-minütige Dokumentation hat sie gesammelt. In "Melanie" vermischt sie ihre Recherche mit einem Parallelplot aus Spekulationen und Projektionen. Auch alte Familienfotos, freie Nachinszenierungen von tatsächlichen Ereignissen und Tonfragmente aus Spielfilmen hat sie eingeflochten.

Stil der siebziger Jahre

Der Film wirft nebenbei einen ästhetisch interessierten Blick auf die bundesrepublikanische Gesellschaft in den siebziger und achtziger Jahren, auf Werbung, Wohn- und Konsumkultur und die darin zum Ausdruck kommenden Geschlechterverhältnisse. Er ist zugleich eine Reminiszenz an die 2009 nach 82 Jahren zu Ende gegangenen Fürther Versandhausära. Die ehemalige Quelle-Hauptverwaltung in der Nürnberger Straße beherbergt heute das Landesamt für Statistik.

Der Freistaat hatte die Behörde als Ausgleich für die wirtschaftlichen Einbußen durch den Untergang des Großunternehmens von München nach Fürth verlagert. Noch ist der Umzug nicht vollends abgeschlossen.

Dreharbeiten und Filmschnitt hat Susanne Helmer in der Freizeit neben ihrem Beruf als Tonmeisterin bewältigt. Später fand sie einen Co-Produzenten und bekam einen Zuschuss vom niederländischen Filmfonds. Die deutsche Erstaufführung erlebte der Film Anfang November 2017 beim Leipziger Festival für Dokumentar- und Animationsfilme, danach war er auf dem Kasseler Dokufest zu sehen.

Zur Nürnberger Präsentation kommt die Regisseurin höchstpersönlich. Nach der Filmvorführung am 2. Mai steht sie den Besuchern zum Gespräch zur Verfügung.

Der Dokumentarfilm "Melanie" wird in einer einmaligen Sondervorführung in deutscher Fassung am Mittwoch, 2. Mai, um 19.30 Uhr im Nürnberger Casablanca (Brosamerstraße 12) gezeigt. Eintritt: 8/5,50 Euro.

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