Rebellen-Sound fegte durch Fürth

15.5.2017, 13:15 Uhr
Rebellen-Sound fegte durch Fürth

© fn/Foto: Athina Tsimplostefanaki

Als die "sWinging Luther"-Planer am Programm feilten, war schnell klar: Auch für die jungen Menschen muss etwas geboten sein. Unter dem Titel "Wohin sonst?" stand denn auch eine "Liedernacht von und für die Jugend" in der Südstadtkirche St. Paul auf dem Programm.

Rasch her mit den weißen Papiertischdecken, auch Getränke und Leckereien sind noch nicht dort platziert, wo sie hingehören. Diakon Christian Krause ist noch ganz begeistert von soeben gezeigten Kindermusical "Luther — Der Weg in die Freiheit". Da war die Kirche mit rund 350 Zuschauern endlich mal wieder gut besucht. "Das beflügelt. Sonst fühlt man sich in unserer großen Kirche fast ein bisschen verloren", sagt Krause. Für die neue technische Anlage mit Mischpult und Verstärkern, installiert im Februar, war das Musical der erste große Testlauf. "Es hat alles wunderbar geklappt. Wir hoffen, dass das jetzt so weitergeht."

"Ist ganz cool"

Derweil stimmen die Mitglieder der Jugendband von St. Paul ihre Instrumente und checken den Sound. Die Gemeinde-Hausband eröffnet dann den Abend, an dem insgesamt drei Bands und Solo-Künstler Johannes Krause das Gotteshaus zu ihrer Bühne machten. "In dieser Form veranstalten wir einen solchen Konzertabend von Jugendlichen für Jugendliche zum ersten Mal", so Krause. Wiederholung nicht ausgeschlossen. Denn junge Musiker hätten immer noch viel zu selten die Möglichkeit, sich vor Publikum zu präsentieren.

Krause selbst spielt Klavier und Cachon und freut sich, wenn christliche Popmusik sowie Lobpreis in der Kirche ertönen. Und damit an diesem Abend auch all die mitsingen können, die nicht textsicher sind, ist eigens eine Leinwand aufgestellt, auf der die jeweiligen Liedtexte zu lesen sind. Und wie finden die Musiker selbst den Abend? Bassist Johannes Schmidt: "Ich sag’s mal kurz und knapp: Ist ganz cool."

*Martin Luther swingt durch die Stadt, die ganze Nacht von Samstag auf Sonntag lang lobpreisten die Posaunenchöre, was die Lunge hergab. Höhepunkt indes war das Oratorium "Luther" von Andreas Hantke, das der Langenzenner Kantor Markus Simon in der Fürther Michaelskirche aufführte.

Klar gibt Martin Luther einen dramatischen Stoff her. Wenn schon nicht für die Oper, dann zumindest für ein Oratorium. Und was gibt es da nicht für spannende, nach Vertonung schreiende Szenen, die jedem Protestanten geläufig sind: das Gewitter, das den Zweifelnden ins Kloster treibt; der ernüchternde Besuch im dekadenten Rom; das Tintenfass, das Doktor Martinus nach dem Teufel schleudert; der Thesenanschlag in Wittenberg und der Reichstag zu Worms; scharfe Dispute mit den Gegnern und die Verbrennung der päpstlichen Bulle; Bildersturm und Bauernkrieg; und endlich das familiäre Glück und die Durchsetzung der Reformation.

Ja, von wegen! Fast nichts davon hat Andreas Hantke in sein gut einstündiges Oratorium "Luther" aus dem Jahr 2005 aufgenommen. Zwar zeichnet der Münchner Komponist musikalisch Luthers Lebens- und Schaffensweg nach, doch konzentriert sich Hantke weniger auf dramatische Episoden, als vielmehr auf Seelenzustände, auf das innere Leben seines Helden. Wir hören also Luther als lebenslustigen Studenten mit vielversprechender weltlicher Zukunft — und gleich darauf den asketischen Mönch, der um sein Seelenheil fürchtet. Kein Blitzschlag, kein Damaskus-Erlebnis, stattdessen das nackte Innenleben.

Den äußeren Ablauf der Ereignisse schildert ein Erzähler im Sprechgesang mit sporadischen Klavierakkorden. Das eigentliche Erleben und Denken bleibt dem Solosänger in der Rolle Luthers vorbehalten, der im Dialog mit dem Chor seine Ängste, Hoffnungen, Zweifel und Überzeugungen mitteilt. Auf eine weitere Figur, etwa Gegenspieler Eck, Freund Melanchthon oder gar Gemahlin Käthe, hat Hantke wohlweislich verzichtet. So enthält sich das Oratorium zwar der äußerlich dramatischen Momente, konzentriert sich dafür ganz auf die theologische Entdeckung. Und es ist gar nicht so einfach, den Wandel eines Gottesbildes nur mit musikalischen Mitteln auszudrücken.

Auch deshalb reduziert der Komponist die Mittel. Das Orchester beschränkt sich auf ein Streichquartett mit Klavier und gelegentlichen Beiträgen von Flöte und Saxofon. Den Rest bestreiten der Solo-Bariton und der gemischte Chor. Dabei stemmt Markus Simon wieder mal eine gewaltige Aufgabe: Er singt die anspruchsvolle Titelrolle und dirigiert gleichzeitig den Chor. Wenn es sein muss, dreht er eben dem Vokalensemble Langenzenn den Rücken zu und dirigiert blind, wobei die Gestikulation den stimmlichen Ausdruck durchaus unterstützt.

Die Musik selbst schweift durch die Zeiten und Stilarten. Der Chor singt oft a cappella, gelegentlich taucht er tief in die Gregorianik ein oder lässt Anleihen aus Lutherchorälen aufblitzen; süßlichen Sakro-Pop vermeidet die Partitur weitestgehend.

Simons ausdrucksstarker Bariton gelingt das Kunststück, einen Charakter zwischen Zweifel und Zuversicht, zwischen Aggressivität und Ergebung in allen seinen Phasen schillern zu lassen und nicht eine Kunstfigur, sondern einen leidenden und kämpferischen Menschen aus Fleisch und Blut rein stimmlich vor Ohren zu führen. Dieser Luther kommt seinen Zuhörern ganz nah.

*Natürlich denkt man beim Namen Martin Luther zuallererst an Theologie, Bibel, Glaube. Und im Jubiläumsjahr der Reformation 2017 begegnet man in überreichem Maße in Gottesdiensten und Vorträgen, Kolloquien und Workshops sowie Festivitäten aller Art dem Reformator. Ein schöner Nebeneffekt dieses Lutherjahres, der auch von vielen Christen gar nicht so bewusst wahrgenommen wird, ist Luthers kirchenmusikalisches Wirken. Beim Konzert im Rahmen des "sWinging Luther"-Festivals in der Roßtaler Laurentiuskirche unter dem Titel "Musik zur Zeit von Martin Luther" stand dieser Gedanke im Mittelpunkt.

Leuchtende Akkorde

Martin Horneber, der die Werke in einer auch für den musikalischen Laien verständlichen Form vorstellte, erinnerte eingangs daran, dass Luther mehrere Instrumente spielte sowie Kirchenlieder textete und komponierte, von denen mehr als 20 Eingang in das evangelische Gesangbuch gefunden haben. Und als Beweis sang die Laurentius-Kantorei unter der Leitung von Michael Bauer das Lied "Nun freut euch, lieben Christen g’mein" (341) in einem Chorsatz von Johann Hermann Schein, einem Zeitgenossen Luthers.

Mit fein dosierter Dynamik in den einzelnen Strophen, schlicht fließend, mit homogenem Klang und leuchtenden Schlussakkorden gelang eine überzeugende Wiedergabe, was auch für die Motette "Wer in dem Schutz des Höchsten ist" aus Psalm 91 von Caspar Othmayr gilt. Ebenfalls Kirchenlieder hatte Bauer, nun in der Rolle des Organisten, ausgewählt: "Maria zart, von edler Art" von Arnolt Schlick, im Programm anschaulich in Text und Melodie abgedruckt, ein reich verzierter Cantus firmus, unterlegt mit dunklen Klangfarben, und den Choral "Mit Lieb bin ich umfangen" von Ludwig Senfl. Vom gleichen Komponisten spielte Gitarristin Wilgard Hübschmann das Lied "Mag ich Unglück nit widerstan" in zwei Fassungen der Lautenisten Hans Newsidler und Hans Judenkönig, in denen der traurige Grundcharakter des Liedes beibehalten wird und doch auch feine kompositorische Unterschiede zu hören waren.

Weltliche Klänge mit liedhaften und tänzerischen Elementen steuerte Hübschmann mit einer beschwingten Allemande von Giorgio Mainerio, "Hunergschrai" eines anonymen Komponisten mit perlenden Läufen und den Tanzstücken "Wascha mesa" und "Hupfauf" von Hans Neusiedler bei, der seit 1530 auch in Nürnberg als Lautenist tätig war.

Mit schmetternden Blechbläserklängen des Blech4tetts, das sind die beiden Trompeter Moritz Pabst und Matthias Eckart sowie die Posaunisten Michael Munzert und Stephen Jenkins, Leiter des Roßtaler Posaunenchors, wurde das Konzert eröffnet und abgeschlossen. Ein Rondo von Tilman Susato und der virtuose "Basse Danse" von Pierre Attaingnant mit feinen dynamischen Nuancen erklangen zu Beginn. Zwei Werke von Josquin Desprez, einem der bedeutendsten Chorkomponisten der Renaissance, und Pierre Certon bildeten den glanzvollen Abschluss. Und auch die Frage "Wie klang die Musik vor 500 Jahren zu Zeiten von Martin Luther?" wurde mit diesem Konzert eindrucksvoll beantwortet.

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