Ritterliche Axthiebe: Autor Saša Stanišic im Interview

8.3.2015, 12:00 Uhr
Ritterliche Axthiebe: Autor Saša Stanišic im Interview

© F.: Hendrik Schmidt/dpa

Sein Debüt war ein Hit. Saša Stanišic war 28, als sein Roman „Wie der Soldat das Grammofon repariert“ erschien. Die Leser waren begeistert, die Kritik lobte, es gab wichtige Preise. Sein Werk wurde in 30 Sprachen übersetzt. Die Geschichte eines jungen Bosniers, der mit seinen Eltern vor dem Krieg nach Deutschland flieht, ist ein Stück weit Stanišics eigene. 1992 kam er als 14-Jähriger aus dem besetzten Višegrad nach Heidelberg und eignete sich die deutsche Sprache an.

Ihr Weg als Autor erscheint sehr gradlinig. Haben Sie überhaupt daran gedacht, einen anderen Beruf zu ergreifen, der vielleicht mehr wirtschaftliche Sicherheit versprochen hätte?

Stanišic: Ja, es gab durchaus die Überlegung, Deutschlehrer zu werden. Mit dem Schreiben habe ich mich allerdings schon seit meiner frühen Jugend sehr wohl gefühlt. Allein davon zu leben war sehr lange Zeit aber nicht möglich, also arbeitete ich bis vor kurzem immer nebenher. Am liebsten als Rezeptionist in einem schäbigen Hotel in der Nähe des Mannheimer Hauptbahnhofs. Erst nach dem zweiten Roman, aber vor allem, weil andere mich als Autor definieren, denke ich über mich als über jemanden nach, der „schreibend arbeitet“. Zweifel an meiner Rolle als Autor habe ich schon, aber die hat auch der Betriebswirt und der Apotheker. Je größer die Menge an Fiktion ist in dem, was wir tun, desto stärker das Misstrauen gegen das eigene Tun. Also zum Beispiel auch bei Politikern.

Ihr zweiter Roman erschien acht Jahre nach dem ersten. Hat der Erfolg Sie beflügelt oder blockiert?

Stanišic: Ich hatte gar nicht unbedingt mehr schreiben wollen nach dem ersten Roman, da war ich noch eben Schriftsteller auf Abruf, einer also, der gern warten wollte, ob noch mal ein Thema kommt, das mich so interessiert, wie das der Fall war mit dem Komplex des Krieges und der Flucht. Also hatten die positiven Reaktionen nicht unbedingt eine Wirkung auf meine Arbeit gehabt; ich habe mich einfach nur gefreut, dass die Leute sich durch das Buch wieder für die Lage in Bosnien interessierten und dass es einige Debatten gab, auch in Bosnien, die durch das Buch ausgelöst waren. Es ist gut, wenn ein Roman auch gesellschaftlich-politische Unterhaltungen auslösen kann und nicht nur Lust auf Sex mit Vampiren.

Arbeiten Sie nach einem festen Ablauf und sitzen zu bestimmten Zeiten an einem neuen Manuskript?

Stanišic: Ich rede mir immer ein, dass ich voll diszipliniert bin, jeden Morgen um sechs aufstehe, zwölf Seiten schreibe, nebenbei das Frühstück für die Familie mache und dabei meine Einkommenssteuer berechne, mit Freunden telefoniere und den Hund des Nachbarn zum Veterinär bringe. Aber in der Realität stehe ich um neun auf, habe bis zum Frühstück kein Wort geschrieben, muss die Säumnisgebühr für die Verspätung der Steuerdinge zahlen, finde mein Telefon nicht und kann niemanden anrufen und habe eine Hunde-Allergie.

Wie weh tut es, im eigenen Text längere Passagen zu streichen?

Stanišic: Weil es mir eben so schwer fällt, Text entstehen zu lassen, lasse ich auch ungern Text fallen. Aber das ist notwendig, denn ich schreibe irrsinnig viel blödes Zeug, aus dem aber dann doch der eine oder der andere gute Satz sich zu befreien versucht, und mir ist jederzeit klar, dass ich nicht faul und feige und bequem sein darf, dass ich also diesen guten Satz irgendwie retten muss, und so nehme ich mir eine Axt und spaziere mit der Axt durch den Textdschungel, ein Ritter im Kampf um die Prinzessin „Satz“, und wenn ich jetzt diese Antwort noch mal kürzen würde, was sich empfiehlt, dann würde ich das seltsame Ritterbild streichen, aber ich lasse es mal stehen.

In einem TV-Interview haben Sie davon gesprochen, dass die Sprache Ihre Spielgefährtin ist. Streiten und ringen sie manchmal miteinander?

Stanišic: Ja, manchmal rede ich Blödsinn, wenn man mir ein Mikro vor die Nase hält. Was ich vermutlich sagen wollte: Ich erlebe Sprache, oder genauer: den Text durchaus als ein Spielzeug — sie ist formbar, sie lässt Welten entstehen und in den Welten alle Sinne „zum Wort kommen“.

Sie schreiben regelmäßig in Ihrem Twitter-Account. Welche Funktion haben diese Gedankenmeldungen für Sie?

Stanišic: Ablenkung und Filterung. Auch eine Übung in Präzision durch die Zeichenbeschränkung. Ablenkung von der eigentlichen Arbeit an langen Texten. Filterung der Medien-Inhalte, die ja oft hanebüchen formuliert sind. Es bereitet mir zum Beispiel eine Freude, über misslungene Metaphern in journalistischen Texten zu sprechen. Wie Sie sehen, auch über meine eigenen Misslungenheiten. 

Was reizt Sie an Lesungen in einer Schule?

Stanišic: Ich mochte Schülerlesungen als Schüler sehr, weil dann der Unterricht ausfiel. Ich gebe den Schülern etwas von diesem guten Gefühl zurück. Die Schüler sind mit ihren Fragen direkter als Erwachsene. Sie sagen auch mal, dass sie etwas nicht verstanden haben oder nicht mochten oder fragen danach, was man so als Autor verdient.

Sie leben in Hamburg. Ist Fürth Ihnen in irgendeiner Weise ein Begriff?“

Stanišic: Klar ist mir Fürth ein Begriff:

Recherchieren Sie derzeit für einen neuen Roman?

Stanišic: Im Augenblick ist Elternzeit! Ich recherchiere das Vater-Sein!

Saša Stanišic liest: Montag, 19 Uhr, Hardenberg-Gymnasium (Kaiserstraße 92). Tickets (10, ermäßigt 5 Euro) bei Bücher Edelmann (Fürther Freiheit 2a), Tel. 7 46 76 17.

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