Rollstuhlfahren mit Lerneffekt und Spaß

30.5.2017, 11:00 Uhr
Rollstuhlfahren mit Lerneffekt und Spaß

© Foto: Leberzammer

"Ihr müsst schon beide Hände an den Rädern haben", weist Anke Kiefer-Junker die Grundschüler an, die sich mittels Rollstuhl durch einen Hindernisparcours bewegen sollen und dabei vom Weg abzukommen drohen – an einer von fünf Stationen in der Schulturnhalle, an denen körperliche Beeinträchtigungen unmittelbar erlebbar werden sollen.

Kiefer-Junker ist eine der Initiatorinnen des Projekts. Und ihre Motivation ist schlichtweg Frustration: Seit fünf Jahren ist die 38-Jährige selbst auf einen Rollstuhl angewiesen. "Für mich persönlich ist das nicht so schlimm, mir geht es gut damit", erklärt sie.

Richtig ärgern muss sie sich allerdings, wenn ihr Sohn, der die dritte Klasse der Hans-Sachs-Schule besucht, sich vor anderen Kindern für seine Mutter rechtfertigen muss. "Auch manche Eltern haben merkwürdig auf mich reagiert", berichtet Anke Kiefer-Junker. "Sie machen einen Bogen um mich, als ob ich ansteckend wäre. Dabei bin ich ein ganz normaler Mensch, der halt nur nicht laufen kann."

Ein positiver und optimistischer Mensch obendrein. Umso mehr freut sie sich nun, dass die Inklusionstage sowohl bei Schülern als auch Eltern gut ankommen. "Es dauert eben manchmal etwas, bis andere Menschen auf einen zukommen", meint Kiefer-Junker. Die Kinder sind jedenfalls ganz wild auf die Rollstuhlfahrten. "Und genau das wollten wir doch erreichen: dass sie merken, dass wir ganz gewöhnliche Menschen sind."

Bürgermeister mit Krakelschrift

Mitstreiter für dieses Projekt hat die junge Frau beim Behindertenrat der Stadt gefunden, der den Inklusionstag zusammen mit Elternschaft und Schulleitung der Hans-Sachs-Schule auf die Beine gestellt hat. Mit Ingrid Streck ist dort die ehemalige Rektorin der Schule Mitglied, und so kam man rasch zusammen.

Neben Kiefer-Junkers Rollstuhl-Parcours gibt es weitere Stationen, an denen Gehörlose das Gebärden-Alphabet erklären, Sehbehinderte die Blindenschrift oder MS-Kranke über ihr Handicap berichten. Mit Gewichten an den Unterarmen und als Rechtshänder mit links zu schreiben, das ist eine der Herausforderungen, vor der die Schüler gestellt werden.

Fürths Bürgermeister Markus Braun macht ebenfalls eine spezielle Erfahrung: Er hat schon viele Dokumente unterzeichnet, doch mit links bestimmt noch nicht. Die Schrift ist entsprechend krakelig. Gemeinsam mit Sozialreferentin Elisabeth Reichert hat Braun die Inklusionstage besucht. Beide lobten das große ehrenamtliche Engagement und die professionelle Umsetzung durch die Beteiligten. "Ein Beispiel, das Schule machen soll", findet Braun: Der Premiere in Stadeln sollen Fortsetzungen an allen Grundschulen folgen.

"Eine gute Sache für Fürth und für die Inklusion", meint auch Ingrid Streck, und bei der Pensionärin hört man noch immer die Schulleiterin durch: "Die Kollegen wollen die Inklusionstage weiter vorantreiben, damit die Idee nicht versandet."

Anke Kiefer-Junker ist begeistert von Strecks Ankündigung, die Aktion auf andere Schulen zu übertragen. Nur ihre Stimme muss sie dann vorher etwas trainieren: Vom vielen Reden und den zahlreichen Ratschlägen fürs Rollstuhlfahren ist sie am Ende des zweiten Tags ganz heiser. "Aber wenn ich nicht jedes Mal 300 Kindern alles erzählen muss, bin ich wieder dabei", sagt sie.

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