Roßtaler Supermarkt-Debatte: Darf’s etwas mehr sein?

12.11.2016, 06:00 Uhr

Wie viele Supermärkte und Discounter kann sich die 10000-Seelen-Gemeinde in ihrem Ortskern leisten, ohne dass alteingesessene, kleine Betriebe in ihrer Existenz gefährdet werden? Diese Frage treibt Roßtal seit Jahren um, die Debatten dazu sind kontrovers. Mehr als einen großflächigen Vollsortimenter trägt der Ortskern nicht, hieß es 2010. Wo er hin soll, bestimmten die Bürger 2012 per Bürgerentscheid, bekanntlich zugunsten des Mühlbachgrunds an der Unteren Bahnhofstraße. Der dortige Edeka-Markt ging Ende 2014 an den Start.


Zwei angejahrte Märkte machten dafür dicht, darunter Edeka-Nord an der Pelzleinstraße, dessen Adresse im Bürgerentscheid als Alternative zur Wahl stand. Seitdem siecht der verwaiste Standort vor sich hin. 2015 hat sich mit einem Roßtaler Bürger ein Investor für die Brache gefunden.


Er will das Gelände des leerstehenden Supermarktes, das benachbarte Firmengebäude und weitere angrenzende Teilfächen kaufen und für Rewe neu und größer bauen. Geplant ist an der Pelzleinstraße 37 bis 41 eine Verkaufsfläche von 1397 Quadratmetern für Lebensmittel, weitere 27 Quadratmeter soll ein Backshop bekommen. 70 Stellplätze sind vorgesehen. Es wäre ein zweiter Vollsortimenter mit quasi dem gleichen Angebot wie Edeka auf der Mühlwiese.


Der Investor gab den Anstoß für das Update des Einzelhandelskonzepts. Es kam zu dem eingangs zitierten Resümee: Ein zweiter Vollsortimenter im Zentrum schwächt den Ortskern und den sogenannten zentralen Versorgungsbereich, den Oberen und Unteren Markt. Ausdrücklich heißt es: Nach der bereits erfolgten Ansiedlung im Nahversorgungszentrum Untere Bahnhofstraße (Penny und Edeka, aktuell entsteht das Gebäude für die Drogerie Rossmann, das im Frühjahr bezugsfertig sein soll) „...muss von einer Ansiedlung großflächigen Einzelhandels am Standort westliche Pelzleinstraße abgesehen werden“.


Der Wettbewerb der zwei „Großen“, warnten die Stadtplaner, werde zu Lasten der kleinen Einzelhändler gehen. Doch die Bedenken des Büros Planwerk teilte die Mehrheit im Gemeinderat nicht, CSU und Freie Wähler versagten dem aktualisierten Einzelhandelskonzept die Zustimmung, womit es abgelehnt war. An der Ausgangslage ändert das nichts. Aktuell gültig ist nun nach wie vor die Fassung von 2010.


Nicht verpflichtend


Gutachten wie das Roßtaler Einzelhandelskonzept sind mittlerweile zwingend, will eine Kommune von den Fördertöpfen der Städtebauprogramme profitieren. Doch baurechtlich relevant sind sie nicht. Das werden sie erst dann, wenn die darin formulierten Ziele verbindlich in Bauleitplänen verankert werden, etwa indem Verkaufsflächen gedeckelt oder Gebäudemaße begrenzt werden. Die Verwaltung hatte so eine Änderung des Bebauungsplans „Schwalbenhof“, der aus dem Jahr 1964 stammt und der in der Pelzleinstraße greift, bereits 2012 angeregt, um potentielle Ansiedlungen zu steuern. Das fand keine Mehrheit.


Hans-Jürgen Bauer (SPD), einer der Kritiker des geplanten Rewe, hätte sich so einen „qualifizierten Bebauungsplan gewünscht, damit wir das ordentlich gestalten können“. Stattdessen seien „alle Ziele des Entwicklungskonzepts über den Haufen geworfen worden“, zeigte er sich „sehr enttäuscht“.


Er war einer von drei Gemeinderäten, die gegen den Bauantrag stimmten. Aufgrund des bestehenden Bebauungsplans steht dem Supermarkt nichts im Wege. „Bauplanungsrechtlich ist er zulässig, da können wir nicht sagen, wir erteilen das gemeindliche Einvernehmen nicht“, hatte Bauamtsleiter Herbert Kurtok den Ausschuss-Mitgliedern erläutert.
Auch Bürgermeister Johann Völkl sagte Ja, „weil wir dort einen städtebaulichen Missstand haben, den der Investor beseitigt. Außerdem können wir als Kommune nicht den Wettbewerb einschränken, wir haben eine freie Marktwirtschaft“. Für Wohnbebauung sei die Ecke schlecht geeignet, denn dort steht das Grundwasser sehr hoch.


Förderrelevant ist es übrigens gar nicht, wenn sich die Marktgemeinde den im Einzelhandelskonzept verankerten Zielen nicht verpflichtet fühlt. Die Zuschüsse aus der Städtebauförderung gibt es trotzdem, wie Völkl bestätigt. Stellt sich die Frage, warum die Städtebauförderung diese Strategiepapiere, die viel Geld kosten — Roßtal zahlte für die Erstfassung des Konzepts 34 000 Euro, die Aktualisierung im Frühjahr hat 12 000 Euro an Steuergeldern gekostet — verlangt?
„Vermutlich könnten wir auch ein Gutachten vorlegen, das zu dem Schluss kommt, dass Roßtal auch noch drei Vollsortimenter verträgt, denn: zwei Gutachter, drei Meinungen“, räumt auch Völkl Zweifel an der Sinnhaftigkeit solcher Expertisen ein

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