Roßtals gute Stube der bildenden Kunst

7.11.2014, 16:00 Uhr
Roßtals gute Stube der bildenden Kunst

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Herr Westphal, man bezeichnet Sie als Spiritus Rector des RTK, was hat Sie persönlich getrieben, sich vor zehn Jahren für mehr Kultur in Roßtal zu engagieren?

Westphal: Meine Frau Ilse, selbst Malerin, ist, wie viele andere der an die 40 Künstler im Ort wiederholt daran gescheitert, hier Ausstellungsräume zu finden. Das war eine echte Lücke.

Bis Sie in die Spitzweedscheune durften, hat es gedauert, warum?

Westphal: Anfangs hieß es, wir haben doch zwei Schul-Aulen, das evangelische Gemeindehaus und das Kleintierzüchterheim, das muss doch reichen. Nur ist ein Kleintierzüchterheim für eine Kunstausstellung nicht das richtige Ambiente. Und natürlich waren wir nicht die Einzigen, die sich für die Scheune interessierten, da gab es schon vorher Begehrlichkeiten.

Warum haben Sie den Zuschlag bekommen?

Westphal: Wir dürften die ersten gewesen sein, die ein vernünftiges Nutzungskonzept vorgelegt haben. Den Marktgemeinderat dafür zu gewinnen, hat aber noch einige Überzeugungsarbeit gekostet.

Und die war an viel persönlichen Einsatz geknüpft, oder?

Westphal: Für die ersten Ausstellungen ab 2005 haben wir die Scheune leergeräumt und generalgereinigt. Mäuse- und Marderdreck haben wir eimerweise herausgetragen. Das Equipment, das Rotes Kreuz und Feuerwehr dort unterstellten, mussten wir privat zwischenlagern. Wir haben diese Prozedur mehrmals wiederholt, bis der Marktgemeinderat gemerkt hat, die geben keine Ruhe.

Was folgte, war die Erlaubnis zur Dauernutzung – und noch mehr Arbeit.

Westphal: Wir haben seit 2006 über 8300 Stunden in die Renovierung gesteckt. Für Material kam die Gemeinde auf. Was wir selbst nicht machen konnten, die Elektrik etwa, erledigten Fachfirmen auf Rechnung der Kommune. Das Holzparkett, mit dem der Boden aus gestampftem Lehm und Beton ersetzt wurde, haben Bürger über Spenden finanziert. Auch für das Glastor haben wir über ein Benefiz-GalaDiner Geldgeber in der Bevölkerung gefunden.

Wie sieht Ihr Konzept fürs kulturelle Innenleben aus?

Westphal: Ganz allgemein geht es uns darum, den Menschen Kultur näher zu bringen, das kulturelle Angebot zu bündeln und das Kulturleben generell zu bereichern.

Allerdings mit dem Fokus auf Bildende Kunst . . .

Westphal: Natürlich wollten wir anderen am Ort wie dem Kulturzelt oder dem Musikzug nicht ins Gehege kommen. Wir setzten auf das, woran es fehlte und wofür sich das Ambiente der Scheune optimal eignet: Ausstellungen sowie Kultur in kleinerem Rahmen — Lesungen, Kabarett, Jazz, Theater in schmaler Besetzung. Bildende Kunst allein würde sich in Roßtal nicht tragen. Uns liegt daran, den richtigen Mix zu treffen, sodass wir über die anderen Veranstaltungen die Neugier auf zeitgenössische Kunst wecken.

Was für unbedarfte Rezipienten nicht unbedingt leichte Kost ist, wie kommt’s an?

Westphal: Wir gehen offensiv auf die Menschen zu. Ein Mann, den wir einmal vorm offenen Tor abgepasst haben, meinte, wenn’s eine Landmaschinenschau wäre, würd’s ihn schon interessieren. Er kam trotzdem rein, hat sich alles angesehen, und als er ging, steckte er einen Zwanziger in unser Sparschwein. Oder die Graffiti-Austellung: Vorab hieß es, was braucht’s die Schmierer? Als die jungen Künstler mit den Spraydosen loslegten, waren alle begeistert. Wir haben unser Publikum gefunden und teils auch eine sehr glückliche Hand bei der Auswahl bewiesen. Bei uns sind namhafte Künstler der Region zu Gast.

Wo bleibt da die örtliche Szene?

Westphal: Mindestens einmal im Jahr stellt ein Roßtaler in der Scheune aus. Keine Vorauswahl treffen wir bei den „Roßtaler Kunst Orten“ im Zwei-Jahres-Takt: Jeder, der will, kann dann im ganzen Ort seine Werke zeigen. Das ist ein Event-Wochenende geworden. Zeitgleich findet das Gemeindefest im Pfarrgarten statt und der Museumshof ist geöffnet. Da ergeben sich prima Synergieeffekte. Wir verkaufen keine Bratwürste und die Kirche keine Gemälde.

Wie läuft das Kulturgeschäft ganz monetär betrachtet?

Westphal: Da dürfte jeder auf seine Kosten kommen: BRK und FFW haben heute neue Domizile und aus der Spitzweedscheune ist die gute Stube Roßtals geworden. Die Kommune trägt den Unterhalt und weiß sicher wertzuschätzen, was wir ehrenamtlich für den Erhalt und die Aufwertung des einst unansehnlichen, denkmalgeschützten Gebäudes leisten. Aktuell richten wir das erste Stockwerk her. Darüber hinaus machen wir zu Geld, was sich zu Geld machen lässt. Der Flyer mit allen Kulturveranstaltungen am Ort, den wir zwei Mal im Jahr herausgeben, trägt sich über Inserate. Der Fotokalender von Alt-Roßtal ist ein Renner. Ausstellende Künstler müssen uns zu zehn Prozent an ihrem Verkaufserlös beteiligen. Wir mögen engagierte Spinner sein, aber Traumtänzer sind wir nicht.

Zum Jubiläumsjahr hat der RTK ein Büchlein über 10 Jahre Spitzweedscheune veröffentlicht, das zum Preis von 9,90 (mit einer Originalgrafik von Reinhard Erbes für 24,90 Euro) während des Martinimarktes dieses Wochenende in der Scheune zu haben ist.

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