Rumoren und Hoffnung: SPD-Basis auf Schlingerkurs

15.1.2018, 16:00 Uhr
Rumoren und Hoffnung: SPD-Basis auf Schlingerkurs

© Foto: Kay Nietfeld/dpa

Horst Arnold ist gerade zu Gast beim Neujahrsempfang der Steiner Sozialdemokraten, als ihn unsere Redaktion am Sonntag erreicht. Und, wie ist die Stimmung dort, jetzt, da die GroKo immer wahrscheinlicher wird? "Die Skepsis ist groß", bekennt der Vorsitzende des Fürther SPD-Kreisverbands und Landtagsabgeordnete – sowohl vor Ort in Stein hat er das so empfunden als auch bei Gesprächen mit seinen Genossen in Fürth. Noch immer sei die Furcht ausgeprägt, die Partei könnte "noch mehr an Glaubwürdigkeit und Stimmen verlieren".

Allerdings: Mit den Inhalten des 28 Seiten starken Papiers, das Ergebnis der Sondierungen ist, müssen sich viele erst im Detail befassen, sagt Arnold. Er selbst hat sich schon einen Überblick verschafft und ist der Meinung: Das Positive überwiegt, es handle sich "um eine geeignete Grundlage für die Koalitionsverhandlungen, in denen die SPD dann "noch etwas mehr rausholen kann".

"Gute Ergebnisse"

Sicherung des Rentenniveaus, paritätische Zahlungen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern in die Krankenversicherung, Bildungspaket – all das trage eine sozialdemokratische Handschrift. Den Vorwurf parteiinterner Kritiker, die SPD habe viel zu viele eigene Positionen preisgegeben, etwa in der Flüchtlingsfrage und bei der Teilzeitarbeit, und sei gar von der Union vorgeführt worden, will Arnold nicht gelten lassen.

Auch der hiesige SPD-Bundestagsabgeordnete Carsten Träger, der bisher als ausgesprochener GroKo-Skeptiker galt, sagt nun: Er sehe "die vielen guten Ergebnisse der Sondierungen" als brauchbare Basis "für den nächsten Schritt". Man müsse in Ruhe die Situation bewerten und sich "die Zeit nehmen, die wir für eine gute Entscheidung brauchen".

Falsch wäre es in den Augen der Fürther SPD-Granden, wenn man sich, wie es Horst Arnold formuliert, "in den Schmollwinkel zurückzieht". Ganz anders sehen das offenbar viele seiner Parteifreunde in Sachsen-Anhalt. Dort hat der Landesparteitag am Wochenende schnell reagiert, eine knappe Mehrheit des Landesparteitags sprach sich schon jetzt gegen die GroKo aus. Das falsche Signal, findet Arnold, denn er wisse aus seiner Zeit als Jurist: "Nur wenn man am Tisch sitzt, kann man mitreden."

Maßgeblich gegen die Koalition wenden sich vor allem die Jusos auf Bundesebene, in Sachsen-Anhalt trieben sie den Widerstand ebenfalls voran. Und auchin Fürth ist der Parteinachwuchs nicht milder gestimmt, wie Alexander Fuchs, Chef der örtlichen Jungsozialisten, auf FN-Anfrage zu berichten weiß: Das Stimmungsbild zeige "eine übergroße Mehrheit, die grundsätzlich keine Große Koalition will". Und auch nach den Sondierungen sei nicht erkennbar, wo die Verhandlungsergebnisse "einen Mehrwert für die SPD und für Deutschland bringen sollen", befindet Fuchs.

Was jetzt vorliege, sei "noch schwächer" als das, was 2013 im Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD gestanden habe. Er und viele seiner Mitstreiter seien deshalb schwer enttäuscht. "Ich hatte ein deutlich besseres Ergebnis erwartet."

Fast nirgendwo sonst konnte die SPD zuletzt im Verhältnis so viele neue Mitglieder hinzugewinnen wie in Ammerndorf, der Ortsverein wurde dafür sogar von der Bundespartei ausgezeichnet. Bei der Diskussion unter den Genossen im Dorf ist die Stimmung derzeit indes geteilt, sagt der stellvertretende Vorsitzende Jürgen Kotzbauer. Nicht wenige wünschen sich eine Erneuerung der Partei in der Oppositionsrolle.

Doch für ihn stellt sich die Frage, wieso eine Neubesinnung nicht auch in der Regierung gelingen sollte. Kotzbauer vergleicht die SPD mit einem Unternehmen, das ins Trudeln gerät. "Die können dann auch nicht sagen, wir ziehen uns jetzt vom Markt zurück, sondern müssen am offenen Herzen operieren."

Mehr rote Farbe

Mit den Sondierungsresultaten könnte er leben, denn "mit mehr Stimmen hat uns der Wähler nicht ausgestattet". Und vielleicht gebe es in den Koalitionsgesprächen ja noch ein bisschen mehr rote Farbe.

Sogar sehr zufrieden ist Harry Scheuenstuhl, SPD-Vorsitzender im Landkreis Fürth und Landtagsabgeordneter, mit dem Sondierungspapier. Er freut sich besonders über die herausgehobene Bedeutung, die ein freies Europa darin hat, aber auch über scheinbare Kleinigkeiten wie die geplante Unterstützung der Frauenhäuser durch den Bund.

Ob es jedoch tatsächlich zu einer schwarz-roten Regierung kommt, das steht für den Wilhermsdorfer "auf Messers Schneide". Bis zur finalen Mitgliederbefragung über eine Koalition, die die SPD vorsieht, könne noch "alles in die Hose gehen". Scheuenstuhl hofft jedoch inständig, dass sich seine Partei für die GroKo entscheidet. Denn andernfalls gebe es Neuwahlen — und die, fürchtet er, würden für die SPD ganz düster ausfallen . . .

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