Sarrazins Kinder zu Besuch in Berlin

1.9.2011, 09:00 Uhr
Sarrazins Kinder zu Besuch in Berlin

© privat

Da staunte er nicht schlecht, der Professor in Berlin. In der Bundeszentrale für politische Bildung erläuterte er einer Jugendgruppe aus Fürth den Nationalen Integrationsplan. Doch die sieben Jungs waren mit dem Gehörten nur bedingt einverstanden. In der Diskussion beharrten sie darauf, dass Druck auf Migranten eher das Gegenteil einer schnellen Integration bewirke.

Die Jugendlichen müssen es wissen. Sie haben selbst türkische, russische oder rumänische Wurzeln. Dennoch wollten sie unbedingt einmal „ihre“ Bundeshauptstadt kennenlernen. Zumindest bei besagtem Professor haben sie Eindruck hinterlassen. „Er meinte, eine so interessierte Jugendgruppe war schon lange nicht mehr da“, sagt Swantje Schindehütte.

Schindehütte, Sozialpädagogin im Jugendzentrum Catch-up, begleitete die Fahrt. Einen Grund dafür, dass die Jugendlichen mit einem solchen Eifer bei der Sache waren, hat sie auch parat: „Es war ihr Projekt.“ Will heißen: Sie haben es von vorne bis hinten selbstständig geplant. Dazu zählte die Auswahl der Programmpunkte wie der Besuch von Bundestag, Berliner Zoo, Brandenburger Tor und Checkpoint Charlie — aber eben auch der Abstecher in die Bundeszentrale für politische Bildung´.

Selbst erdacht

Auch den Namen ihres Projekts, der bewusst mit den umstrittenen Zuwanderungsthesen von Buchautor Thilo Sarrazin spielt, haben sie sich selbst erdacht: Sarrazins Kinder. Und natürlich stellten sie auch den Antrag auf Zuschüsse aus dem Programm „Fürther Vielfalt tut gut“.

Wie berichtet, gingen dafür Ende des vergangenen Jahres 45 Bewerbungen aus Stadt und Landkreis ein. Der zuständige Begleitausschuss wählte schließlich 18 Projekte aus, die Summen zwischen 340 und 10000 Euro erhalten sollten. „Sarrazins Kinder“ durften sich über 4500 Euro freuen.

Was lief sonst noch? Im Kinderhort Kalbsiedlung setzten sich Erst- und Zweitklässler mit Afrika auseinander, um eine Reihe von Fragen zu beantworten: „Wie leben Kinder in Afrika?“, „Welche Unterschiede gibt es zum reichen Europa?“ und „Was verbindet uns?“.

Im städtischen Jugendmedienzentrum Connect erstellten Zehntklässler Radio- und Videobeiträge unter dem Motto „Vielfalt auf allen Kanälen“. Eine erste Sendung wurde am 18. August im Internet ausgestrahlt. In den Genuss der Förderung kam auch ein Aktionstag an der Mittelschule Soldnerstraße zum Thema Rassismus. Eingebettet war er in ein Streetsoccer-Turnier mit 800 Schülern.

„Warum Deutschland? Wieso Fürth?“ heißt ein Projekt der Beschäftigungsgesellschaft elan. Die Teilnehmer begeben sich auf eine Spurensuche, bei der sie beispielsweise ihre Eltern befragen, warum sie ausgerechnet in Deutschland bzw. Fürth eine neue Heimat gefunden haben.

Ein Teil der Fördergelder fließt in den Landkreis. „Altanet–jungenetzkultur“, ein Zusammenschluss junger Menschen, die sich mit neuen Medien auseinandersetzen, erforscht Orte jüdischen Lebens sowie der Judenverfolgung wie den Pleikershof in Cadolzburg, den Landsitz von NS-Gauleiter Julius Streicher.

Manche Projekte sind abgeschlossen, andere laufen noch. Die Jungs von „Sarrazins Kinder“ würden am liebsten gleich das nächste anstoßen. Ideen gäbe es schon, doch ohne finanzielle Hilfe wie von „Fürther Vielfalt tut gut“ wird es schwer. Im Jugendzentrum Catch-up ist man jedenfalls dankbar für das Geld aus dem Familienministerium. „Ohne das hätten wir eine so kleine Gruppe nie derart fördern können“, sagt Swantje Schindehütte.

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