Schatz unterm Staub

17.4.2014, 13:00 Uhr
Schatz unterm Staub

© Ilona Kriesl

Das Tageslicht, das durch die Fensterscheibe in die Kirche Sankt Marien fällt, bringt den Osterleuchter zum Strahlen. Golden und silbern schimmert das Kunstwerk, das neben dem Altar auf einem kleinen Podest steht. Drei runde Schnitzereien ordnen sich um die Sonne in der Mitte an: Sie zeigen die Jungfrauen am Grab Christi, einen Engel und den Auferstandenen im Leinentuch — die rechte Hand zum Segen erhoben. Der Schriftzug, der sich in großen Lettern um das Kunstwerk spannt, ist deutlich zu lesen: „Ihr suchet Jesus von Nazareth den Gekreuzigten er ist auferstanden.“

Zwischen Kisten und Möbeln

Joachim Habel, ein Mitglied des Pfarrgemeinderates, erzählt die Geschichte gern — die Geschichte vom Fund des Osterleuchters im Herbst 2011. „Wir haben den Dachboden des katholischen Kindergartens ausgeräumt“, erinnert er sich. Zwischen Kisten und alten Möbeln entdeckten sie das Relief, „neben dem Treppenaufgang, auf dem Gesicht liegend“. Als das wuchtige Kunstwerk umgedreht und der Staub beiseite gewischt worden war, kam ihm der Gedanke: „Das müsste ein Felix Müller sein.“ Er erkannte die Handschrift des Künstlers an der Form der Buchstaben, an der reduzierten Gestaltung der Figuren.

Denn Müller, der zu Lebzeiten viele religiöse Kunstwerke fertigte, ist in der katholischen Gemeinde allgegenwärtig: Von ihm stammen das Kruzifix in der Werktagskapelle und die Vorlagen für die vierzehn Kreuzwegstationen an der Südseite des Gotteshauses. Zeitweise lebte der 1904 geborene Bildhauer und Maler in Laubendorf, wo er bis ins Jahr 1940 eine eigene Künstlerwerkstatt betrieb. Hier formte und schnitzte er Madonnen, Kreuze und Gedenktafeln.

Müllers künstlerisches Erbe eint ein unverkennbarer Stil: Seine Werke sind schlicht, reduziert, oft kantig und erinnern an den Expressionismus. Ein Grund, weshalb sein Schaffen im Dritten Reich aneckte und damals für Missfallen und Diskussionsstoff sorgte.

Diese Zeiten sind längst vorbei. In der Gemeinde ist man über den Fund „hocherfreut“, berichtet Joachim Habel. „Der Osterleuchter ist ein Zeitzeuge aus der Geschichte unserer Kirche, der ersten Heimatvertriebenenkirche Deutschlands.“

Als Beleg dient Habel ein Hochzeitsbild aus den Fünfzigerjahren: Es zeigt, dass der Osterleuchter im früheren Kirchengebäude stand, das 1972 dem heutigen Neubau weichen musste. Diese Entdeckung passt zu der Expertenmeinung von Peter Lichtenberger, dem Leiter des Felix-Müller-Museums in Neunkirchen am Brand (Landkreis Forchheim). Er vermutet, dass der Leuchter Anfang der Fünfzigerjahre entstanden sein könnte.

Dekan André Hermany erinnert das Kunstwerk mit der goldenen Sonne an einen Vers aus der Bibel. „Uns wird besuchen das aufstrahlende Licht aus der Höhe“, zitiert er aus dem Lukas-Evangelium und erklärt die Bedeutung des Sonnensymbols: „Der Himmelskörper strahlt Licht, Wärme, einen Neuanfang aus.“ Wie kein zweites Symbol versinnbildliche die Sonne damit die Auferstehung Jesu Christi. Dem Osterleuchter kommt in der Osternacht eine Schlüsselrolle zu: Er hält die neu entzündete Osterkerze, die auch während des Jahres in jedem Gottesdienst brennt.

Halterung fehlt

Doch genau jenes entscheidende Stück — die Halterung für die Osterkerze — fehlt bei der Auferstehungstafel. Kleine Befestigungslöcher im Holz zeugen noch von einem früheren Teilstück, das im Laufe der Zeit verloren gegangen sein muss. Trotz des kleinen Makels soll die Tafel dieses Jahr wieder erstmals zum Einsatz kommen. In der Osternacht am Samstagabend führt Dekan Hermany die Tafel in die Liturgie ein. Dann darf das Relief wieder seiner ursprünglichen Aufgabe nachgehen: Den Gemeindemitgliedern leuchten und an die Auferstehung Jesu erinnern.

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