Scherz ohne Schmerz

10.4.2014, 10:30 Uhr
Scherz ohne Schmerz

© Regina Brocke

Tänzer sind Schweiger, zumindest auf der Bühne. Ihr Körper muss beredt sein. Wer braucht da Wörter? Nun, einer tut das ganz augenscheinlich: Eric Gauthier. Es darf inzwischen als gute Tradition gelten, dass der vielseitige Chef seine Truppe persönlich ansagt. Und wie offenbar alles, was der Tänzer, Choreograf und Ensemblegründer macht, gelingt ihm auch diese Conférence glänzend. Der Mann weiß perfekt, wie’s geht.

Zur Begrüßung ein liebenswürdiges Kompliment („Wir fühlen uns in Fürth wie zu Hause“), dann ein bisschen Vorfreude wecken. Extra fürs Stadttheater habe man acht besondere Stücke ausgewählt. „Alles hat mit Hümor zu tun“, verspricht der gebürtige Kanadier und lässt dank seines dezenten Akzents aus so einem schlichten Wort wie „Humor“ plötzlich einen Begriff werden, der exotische Reize verheißt. Damit ihn keiner falsch versteht, schiebt dieser personifizierte Charmespender auf der Bühne beruhigend nach, man wollen keinen brachialen „Hahaha-Hümor“ entfalten, sondern mit Poesie „ein kleines Lächeln ins Gesicht zaubern“.

Und plötzlich drängt sich die Idee auf, dass der Mann da oben noch etwas ganz anderes sagen will. Das könnte zum Beispiel so klingen: „Entspannt euch, ihr Lieben. Wir tanzen, aber ihr müsst keine Angst vor abgefahrenen Experimental-Eskapaden haben. Es wird alles ganz leicht und heiter sein, und am Ende werdet ihr euch wundern, wie unterhaltsam dieser Abend war.“ Womit er recht behielte — wären diese Worte gefallen. Tatsächlich beendet Gauthier seine Ansprache eine Spur unbescheidener: „Wetten, dass ihr am Ende zu Standing Ovations bereit seit?“

Tatsächlich ist das Fürth-Programm der Company vom Theaterhaus Stuttgart absolut schmerzfrei. Es gibt keinen Moment des Unbehagens, keinen Grübel-Bedarf, kein Fremdeln. Das ist allerdings nicht unbedingt als Kompliment zu verstehen. Heiter bis witzig ist die Tonart des Abends. Zwischentöne haben zu Beginn eine Chance. Alejandro Cerrudos Choreografie „Lickety-Split“ ist eine hintergründige Aufstellung für drei Paare. Die Stimmung geben die Songs des Amerikaners Devendra Banhart vor, deren mystische Intensität von den Tänzern aufgenommen wird — bis kleine Gesten Lächerlichkeit aufkommen lassen und die Gefühle in Frage stellen.

Einmal noch berührt an diesem Abend eine Choreografie die intensiven Emotionen, die Tanz erschließen kann. „The Old Man and Me“ ist ein Duett von Hans van Manen. Der 81-Jährige, ein Gründungsmitglied des Nederlands Dans Theater, hat einen Song von J.J. Cale zum Ausgangspunkt gemacht. Ein Mann und eine Frau versuchen ein letztes Mal, einander näher zu kommen. Umsonst. Die wunderbare Anna Süheyla Harms, die 2013 mit dem renommierten Theaterpreis „Faust“ als beste Tänzerin gekürt worden ist, und Sebastian Kloborg erlauben den Zuschauern einen Einblick in privateste Empfindungen. Ein berührender Augenblick.

Bebrillter Nerd

Zur „Best of“-Auswahl zählt auch Bekanntes. Itzik Galilis Stück mit dem blütensanften Namen „Cherry Pink and Apple Blossom White“ zum Beispiel. Beim Fürth-Gastspiel von Gauthier Dance im vergangenen Jahr tanzte Sebastian Kloborg in dieser ins Absurde gedrehten Paar-Nummer, jetzt übernimmt Rosario Guerra. An der Seite von Anneleen Dedroog gockelt und dackelt er als bebrillter Nerd mit Hoffnung auf Zweisamkeit. Eine betont akrobatische Nummer, die diesmal einen Hauch weniger präzise ausfällt.

Gauthiers Mission ist sicherlich die Besänftigung von Schwellenängsten vor dem zeitgenössischen Tanz. Dazu gesellt sich eine Leidenschaft, die sich im Stadttheater gleich zweimal entfaltet: seine nachdrückliche Liebe zum Tanz-Kabarett, eine Disziplin, die er vermutlich höchstpersönlich erfunden hat. Gauthiers Arbeiten „Orchestra of Wolves“ und „Air Guitar“ sorgen für flächendeckende Belustigung. Es sind, ja, gewitzte Spielereien mit naheliegenden Bildern, die er in eine vertraute Körpersprache übersetzt.

Eine zweite Auflage erlebt jetzt auch Stephan Thoss Choreografie „Bolero“, die seit 1999 erfolgreich ist. Die Idee, sechs alte Frauen aus der Lethargie eines Seniorenheims erwachen zu lassen, geht mit Ravels berauschender Musik eine wiederbelebende Allianz ein. Drei Mal ist der Companychef in Fürth als Tänzer auf der Bühne. Sehr gewitzt und präzise ausgefeilt ist „The Sofa“ (Itzik Galili), eine doppelbödige Anmache. Die Fußball-Parodie „Der Freistoß“, die in Zeitlupe geläufige Rasenszenen parodiert, ist dagegen bestenfalls eine komische Nummer.

Zwei Tanz-Stunden später hat der Charmeur dann übrigens recht behalten. Es wird geklatscht. Im Stehen. Mission erfüllt.

Zum letzten Mal am Freitag und Samstag, jeweils 19.30 Uhr, Stadttheater. Restkarten (11-45 Euro) an der Abendkasse.
 

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