Schicke Säcke

21.7.2013, 10:00 Uhr
Schicke Säcke

© Thomas Scherer

Eingeschweißte Gurken? Würde Ralf Hassel nie kaufen. „Niemals“, sagt er auf eine Art, die nullkommanull Zweifel lässt. Auch Shampoo und Duschgel in Flaschen oder Spendern lehnt der 35-Jährige ab. Um Plastik(müll) zu vermeiden, verwendet er lieber Haarseife aus Happurg.

Voriges Jahr war Hassel, Angestellter einer Nürnberger Medizintechnik-Firma und dort verantwortlich für deren Internetauftritt, zusammen mit seiner Freundin Sigrun Riechardt (29) — sie ist Kulturwissenschaftlerin und leitet in Nürnberg eine Coffeeshop-Filiale — auf Asienreise. Beim Bummel über den Markt in Siem Reap (Kambodscha) staunten die beiden über einen Stand, an dem es farbenfrohe Taschen aus gewebtem Kunststoff zu kaufen gab: Reisetaschen, Umhängetaschen, Strandtaschen, Laptoptaschen... Alles reißfest, alles wasserfest.

Rasch war klar, dass es sich hier um das schillernde zweite Leben ausrangierter Zement- und Fischfuttersäcke handelte. Aus Alt mach Neu. Diese Art von Umweltschutz gefiel dem Paar. Abends, auf der Dachterrasse ihres Hotels, fragten sich Riechardt und Hassel, ob das nicht eine Geschäftsidee wäre...

Noch an Ort und Stelle entstand der Kontakt zu einem 28-Jährigen aus dem Dorf, aus dem die Taschen kommen. Der Mann arbeitet im Tourismus-Ministerium, sagt Hassel, spricht englisch und verfügt im Büro über Internet-Zugang. Bald wussten er und seine Freundin: „Die Taschen werden nicht in der Fabrik gefertigt. Die Dorfbewohner, die von ihren Reisfeldern nicht leben könnten, nähen sie von Hand — und zwar daheim, wo sie sich auch um ihre Familien kümmern können.“

Wieder zurück in Deutschland, gab es viele Fragen zu klären. Es kam eine „anfangs mühsame“ Übersee-Kommunikation in Gang. Viele Mails gingen hin und her, viele Skype-Gespräche wurden geführt und noch der Kontakt zu einer Organisation geknüpft, die Landminenopfer beschäftigt und Frauen, die an Polio oder HIV erkrankt sind, ehe die Milchmeer ecobags GbR gegründet war. Dann trudelten die ersten recycelten Taschen und Geldbeutel in Fürth ein. Inzwischen verkaufen Riechardt und Hassel Taschen aus Kambodscha. Sie tun es im kleinen Stil. Einen Laden gibt es nicht, einen Internetauftritt schon (www.milchmeer.de). Der Online-Shop ist allerdings noch nicht in Betrieb, Werbung gar nicht erst geplant. „Dann werden nicht so viele auf uns aufmerksam“, sagt Hassel. Das klingt paradox. Doch einer Expansion, erklärt er, seien Grenzen gesetzt. Denn: „Müssten wir eines Tages eine Fabrik bauen, dann widerspräche das ja unserem Grundsatz, faire Produktionsbedingungen anzubieten.“

Jede Lieferung ist ein Überraschungspaket. Bestellen Hassel und Riechardt das Motiv „grüner Fisch“, dann kommt es, wie sie schmunzelnd berichten, vor, dass der Fisch die Taschenrückseite ziert, die Vorderseite hingegen zeigt Schriftzeichen und Tabellen. Trotzdem: Die bunten Taschen aus Kambodscha sind offenbar begehrt. Beim Grafflmarkt und beim Trempelmarkt habe man sie ihnen „förmlich aus den Händen gerissen“, sagt Sigrun Riechardt.

Sie und ihr Freund wissen inzwischen, dass ihre Geschäftsidee nicht einzigartig ist. Es gibt im Internet auch andere Anbieter von Fischfuttertaschen. Dem Paar macht das nichts aus. „Das Schöne ist doch auch“, sagt Riechardt, „dass wir beide das hier zusammen machen, dass wir an einem Strang ziehen.“

Keine Kommentare