Schirm-Neid

Nach wie vor geht es in der literarischen FN-Wochenreihe um „Neid“. Heute lässt Karin Heinzler Schirme aufeinander los. Seit 2012 ist die Absolventin der Schreibwerkstatt von Ewald Arenz im Autorenteam der „Fürther Freiheit“. Die Germanistin und Historikerin arbeitet im Projektbüro für Schule und Bildung der Stadt Fürth und im Limoges- und Limousinhaus.

Der Kerl da drüben kommt fast nie aus dem Häuschen raus. Ich kann ihn von hier aus fast noch besser sehen als sonst. Steht immer nur am Fenster, denkt, er ist was Besseres. Weil er so schön gelb ist, meint er. Ja, und sie holen ihn ja auch immer nur raus, wenn die Sonne scheint. Unsereins muss bei jedem Sauwetter raus. Gerade dann.

Dann spannen sie uns auf und wir stemmen uns gegen den Wind und werden patschnass. Wenn wir Glück haben, sind wir bald wieder drinnen. Und wenn es gut läuft, lassen sie uns nicht einfach stehen. Aber den Kerl, den stecken sie in einen Ständer und dann setzen sie sich drunter und sind gut gelaunt. Den haben sie noch nie irgendwo vergessen und nass ist der auch noch nicht geworden. Der darf immer die Sonne genießen. Dann strahlt er mit ihr um die Wette. Dabei ist er doch auch bloß ein Schirm.

Der muss sich nicht dauernd das Gefluche anhören. Wir dagegen hören immer nur „Scheißwetter“. Gestern, da habe ich mir einen Spaß erlaubt und das hätte ich besser bleiben lassen sollen. Mr. Supergelb war auch mal wieder im Garten. Ich hab das genau beobachtet. Alles war schön, super Stimmung. Nur ich musste drin bleiben. Da ist ein Gewitter aufgezogen und da haben sie alles eingepackt. Als die ersten Tropfen fielen, da merkte einer von ihnen, dass der gelbe Schönling noch draußen war. Hat der mich doch gepackt und im Laufen wollte er mich aufspannen. Tja, da hab ich halt einfach mal geklemmt. Ich hab die Speichen zusammengebissen. Nix ging.

„Mr. ich geh nur in die Sonne“ hat auch ein paar Tropfen abbekommen. Das hat mir so gefallen, dass ich ganz vergessen habe, weiter zu klemmen. Es hat Klick gemacht und ich bin aufgesprungen und genau in dem Moment ist ein Wind in mich hineingefahren. Mein Stoff hat sich gehoben und eine meiner Speichen wurde von diesem Wind total verbogen. Ich konnte es nicht fassen, aber da wurde ich auf den Boden geworfen und da ist dann auch noch die verbogene Speiche gebrochen.

Jetzt liege ich im Müll. Von meiner abgebrochenen Speiche hängt der Stoff herunter. Aber der Gelbe, der steht wieder trocken in seiner Hütte. Für manche scheint eben immer die Sonne.

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