Schlagerlegenden wärmten die Fanherzen in der Fürther Stadthalle

28.4.2017, 12:30 Uhr
Schlagerlegenden wärmten die Fanherzen in der Fürther Stadthalle

© Foto: Ralf Rödel

Natürlich kann man ausrechnen, dass die sechs Schlagerhelden gemeinsam 423 Jahre Lebenserfahrung auf die Bühne bringen. Mindestens so beachtlich ist die Zahl ihrer Hits, der Beinahe-Siege beim Eurovision Song Contest oder der Bravo-Titelseiten, die sie zierten. Irgendwie spielt das an diesem Abend aber sehr bald überhaupt keine Rolle mehr. Stattdessen entfaltet sich eine traute Art von Gute-Stube-Stimmung in der beinahe voll besetzten Halle, und plötzlich ist es wieder da: dieses wunderbare Gefühl, das sich im Wohnzimmer einstellte, wenn am Samstag die ersten Takte der "Hitparade"-Titelmusik erklangen und Dieter Thomas Heck im Röhrenfernseher auftauchte.

Fühlt sich an, als sei es gestern gewesen. Graham Bonney raubt solchen Gefühlen allerdings umgehend den Boden: "Ich war bei der ersten Sendung am 18. Januar 1969 dabei." Richtig, das war vor 48 Jahren. "Wähle 3-3-3" hieß damals das Lied des mittlerweile 73-Jährigen aus England. Die Fans in Fürth stimmen ein und beweisen nach wie vor Textsicherheit.

Überhaupt klappt das mit dem Mitsingen wie lange geprobt. Keiner schwächelt, wenn Mary Roos den "Arizona Man" besingt und Ireen Sheer behauptet: "Heut’ Abend hab’ ich Kopfweh". Lena Valaitis und ihr "Johnny Blue" hätten Deutschland beinahe schon 1981 an die Spitze des europäischen Schlagerglücks befördert: "Vier Punkte haben mir gefehlt", rechnet die Sängerin jetzt vor. "Und wissen Sie, wer mir die nicht gegeben hat?" Korrekt. Die Schweizer waren’s. Aber Rache ist Käse: "Ich kauf’ keinen mehr aus der Schweiz", sagt die zierliche Sängerin.

Charmantes Geständnis

1963 beschloss Margaret Annemarie Battavio aus Pennsylvania, sich Little Peggy March zu nennen und landete mit "I will follow him" einen Super-Hit. In der Stadthalle gesteht sie charmant, dass sie weiß, wie sich Pannen anfühlen: "Ich hab’ mal auf der Bühne meine Hose verloren." Das weckt jetzt bei Graham Bonney Erinnerungen: "Du hattest früher sehr schöne Beine. . ."

Charme kennt halt kein Verfallsdatum, und wer wollte Ireen Sheer widersprechen, wenn sie meint: "Ich wusste gar nicht, dass es in Fürth so tolle Männer gibt." Was zwangsläufig den Fokus auf Michael Holm lenkt. Der ist zwar kein Fürther, aber als Kind nach Erlangen gezogen und des Fränkischen mächtig. Gerührt erklärt der 73-Jährige: "Hier bin ich aufgewachsen und hab’ Abi gemacht. Jetzt bin ich endlich wieder mit euch zusammen." Fürsorglich erkundigt er sich: "Seid ihr alle noch wach? Habt ihr die Zahnbürsten dabei?"

Recht hat er. Die sechs Entertainer schenken sich nichts und liefern eine ausgedehnte Gute-Laune-Show ab, die beileibe nicht von Routine, sondern von Können und Erfahrung geprägt ist. Es wird live gesungen, Otti Bauer und sein Orchester sind dabei, und spätestens wenn Holm die Hüften kreisen lässt und Graham Bonney im besten Angus-Young-Stil mit seiner Gitarre über die Bühne steppt, gehen auch in Fürth ein paar Arme in die Höhe. Plötzlich Rock’n’ Roll.

Inzwischen ist man so vertraut miteinander, dass Mary Roos unverblümt erzählt, warum ihr Kleid rutscht ("Der Gürtel ist eben kaputt gegangen, heut’ geht alles schief, aber schön, dass Sie da sind"), und gesteht: "Sie können sich ja gar nicht vorstellen, wie verrückt diese wunderbaren Freunde sind, mit denen ich hier auf Tour bin, und wie viel Spaß das macht." Doch, davon kommt schon entschieden mehr als eine Ahnung über die Bühne. Allenfalls Michael Holm überschätzt – trotz eines gewissen Heimvorteils – seine Franken ein bisschen, als er alle auffordert, den nächsten Nachbarn an die Hand zu nehmen. Da sind die Reihen wahrlich nicht fest geschlossen. Aber schön ist es dann doch, wenn er endlich wieder verspricht: "Tränen lügen nicht".

Und über den Köpfen der Zuhörer erheben sich auf einmal zwei Hände und schwenken erleuchtete Handys im Takt.

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