Schlauersbacher Weiher als Fenster zur Welt

11.11.2017, 14:00 Uhr
Schlauersbacher Weiher als Fenster zur Welt

© Foto: Petra Fiedler

Das Beste kommt bekanntlich zum Schluss: Am Ende der Karpfenernte transportiert Jürgen Schuster, Vorsitzender des Ortsvereins, nicht nur die Fische in die vereinseigenen Becken in der Dorfmitte. Auf der Ladefläche seines blauen Unimogs karrt er auch den Unterschlauersbacher Nachwuchs vor die elterlichen Haustüren. In ein Auto könnte man die Mädchen und Buben nämlich nicht mehr setzen. Von oben bis unten in Schlamm gebadet, lassen sich Jungs und Mädchen nur noch schwer voneinander unterscheiden. Das traditionelle Weiherabfischen ist in Unterschlauersbach also in erster Linie eine Sache, die Spaß macht und die für Zusammenhalt sorgt.

"Der Weiher beschäftigt uns das ganze Jahr über", sagt Jürgen Schuster. Wenn auch nicht alle 230 Vereinsmitglieder – das Dorf zählt in etwa so viele Einwohner – an seiner Pflege beteiligt sind, Mitte November sitzen dann die meisten an einem Tisch und genießen, was während des Sommers im Wasser herangewachsen ist.

Der Wasserpegel sinkt

Vorher muss der Fisch aber erst aus dem Teich. Langsam sinkt der Pegel an diesem frischen Novembertag. Die ersten Rückenpartien der Karpfen werden sichtbar, noch zu früh, um die einzelnen Tiere mit dem Kescher einzufangen.

Für Georg Striebel kommt gleich die Stunde der Wahrheit. Er ist der Weiherwart des Ortsvereins und gespannt darauf, was aus den rund 350 Setzlingen geworden ist. Im Frühling, in der Zeit von März bis April, werden sie gesetzt. "Da investiert der Verein so um die 500 Euro für die Karpfenbrut", erklärt Striebel und erzählt von der Fütterung – "wir nehmen ausschließlich Roggen" –, von den Pflegearbeiten in und um den Weiher und den Kontrollen durch den Fisch–Erzeugerring Mittelfranken.

Die Unterschlauersbacher legen Wert darauf, dass ein Fachmann, der sogenannte Fischwart, die Wasserqualität überprüft und sich auch sonst umschaut, ob mit den Fischen alles in Ordnung ist. "Denn letztendlich wollen wir unsere Karpfen auch essen und verkaufen können", meint Striebel.

Was er nach den Kontrollen vom August schon weiß: Die Karpfen sind in diesem Jahr richtige Brummer. Etliche bringen gute vier Pfund auf die Waage. "Früher wäre es schwierig gewesen, so große Fische zu vermarkten", erinnert sich Striebel. Aber inzwischen würden auch Karpfenfilets angeboten und dafür kann der Fisch durchaus größer sein.

Für die fleißigen Helfer, die in diesem Jahr wieder um die 500 Kilogramm Karpfen ernten werden, kommen die ersten Fische noch an diesem Tag in die Pfanne. "Das Fischessen für die Helfer ist dann unsere erste Qualitätsprobe", meint Vorstand Schuster. Mitte November folgt das Fischessen für die Vereinsmitglieder.

In Unterschlauersbach kochen noch zwei Wirte für Einheimische und Gäste – ein Glücksfall für den Verein. Der hat so vor Ort die Möglichkeit, die Karpfen zu vermarkten. So kommt Geld in die Vereinskasse. "Unterm Strich", weiß Vereinsvorstand Schuster, "verbuchen wir so ein kleines Plus auf unserem Weiherkonto."

Inzwischen hat sich am Weiher noch eine kleine Gruppe unter die Einheimischen gemischt. Es sind Buben, die in den Bruckberger Anstalten leben. Für diese Kinder und ihre Betreuer ist die Karpfenernte ein besonderes Erlebnis. Den Kontakt zwischen Heim und Dorfverein hat die Studentin Elfi Hahn hergestellt. Sie stammt aus Großhabersdorf, arbeitet in Bruckberg und beobachtet, wie die Schützlinge, das Erlebte verarbeiten.

Wann funktioniert Inklusion?

"Für die Bruckberger Kinder ist das eine tolle Sache", sagt die junge Frau und berichtet davon, dass es nicht so sehr die geistigen, sondern immer mehr die emotionalen Behinderungen sind, die eine Teilnahme am normalen Leben unmöglich machen. Dieses Thema wird sie in ihrer Bachelorarbeit behandeln und damit versuchen, eine Antwort auf die Frage zu finden, was es braucht, damit Inklusion funktioniert. Deshalb freut es Elfi Hahn besonders, dass der Ortsverein in diesem Jahr die Einladung ausgesprochen hat. "Wir haben Kinder ohne ein Zuhause", erzählt die Studentin und beschreibt das bisweilen laute Treiben am Weiherrand als eine Art Fenster zur Welt. Ein Fenster, das sich sonst nur schwer für die Bruckberger Kinder öffnen lässt.

Dann endlich ist der Weiher fast leer, das Wasser soweit abgeflossen, dass die Jagd nach den Karpfen beginnen kann: Männer mit zappelnden Leibern im Netz, vor Freude kreischende Kinder und dazu ein Vereinsvorstand und ein Weiherwart, die längst schon wieder das kommende Karpfenjahr vor Augen haben.

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