Schwabacher Straße: Mehr Platz für Radler und Fußgänger?

20.10.2018, 16:00 Uhr
Schwabacher Straße: Mehr Platz für Radler und Fußgänger?

Houten gilt als Vorreiter. Die niederländische Stadt hat den Autoverkehr vor Jahren aus der Innenstadt verbannt. Während Radfahrer auf kurzen Wegen ins Zentrum gelangen, müssen Pkw-Fahrer Umwege in Kauf nehmen. Es gibt einen Rundweg für Kraftfahrzeuge um die City herum und – unerhört – Fahrradstraßen mit Seitenstreifen, auf denen Autos geduldet sind, sich aber dem Tempo der Radler anpassen müssen.

Fürth, Schwabacher Straße, zwischen Bahnunterführung und Kaiserstraße. Zu hören sind Motoren, mitunter Hupen. Zu sehen sind Kolonnen von Pkw und Lkw, mehr oder weniger geordnet, auf vier Fahrspuren. Josef Hirthammer ist Künstler. Seit 2015 hat er sein Atelier im Komplex der früheren Humbser-Brauerei. Die Schwabacher Straße kommt aus seiner Sicht "völlig lieblos" daher, der Verkehrsstrom verstellt den Blick auf ihre Reize. "Man nimmt als Fußgänger die schönen Häuser rechts und links nicht wahr." Auch auf dem Rad fühlt sich der 67-Jährige hier unbehaglich. "Das ist manchmal fast lebensgefährlich."

Für einen Moment skizziert Matthias Bohlinger ein anderes Bild von der Schwabacher Straße: "Ein breiter Boulevard, links und rechts Baumbestand. . ." Weiter spricht Bohlinger nicht. Als Leiter der städtischen Verkehrsplanung muss er ans Machbare denken. Und das ist für ihn allenfalls eine "maßvolle Umverteilung" des vorhandenen öffentlichen Raumes. Denn: "Der Kuchen ist so groß wie er ist. Man kann die Stücke nur anders verteilen." Bohlinger schweben "separate Radverkehrsanlagen" vor, abmarkierte Bereiche für Radfahrer. Er rechnet: Das wären mindestens 1,50 Meter pro Richtung, also eine Fahrspur weniger für den motorisierten Verkehr. Drei Spuren hält Bohlinger für nötig: Linksabbieger, auch Busse bräuchten Platz. Dabei räumt er ein, dass die Gehsteige schmal sind, teils beengt durch Stromverteilerkästen und Werbetafeln des Einzelhandels.

Seine Veränderungsoptionen liegen in Schubladen des Stadtplanungsamts. Entwickelt wurden sie im Zuge der Überlegungen für eine Neugestaltung der Bahnunterführung, wenn dort der provisorische Rammschutz verschwindet. Es bliebe bei sanften Kurskorrekturen. Man könne nichts über Nacht zurückdrehen, was sich über Jahrzehnte entwickelt habe, sagt Bohlinger. Fürths Hauptverkehrsadern, bestätigt Hans-Joachim Gleißner, Chef des Straßenverkehrsamts, seien aus Handelsrouten hervorgegangenen, also historisch gewachsen. Ein wesentlicher Unterschied zu Houten, das am Reißbrett entworfen wurde.

Gleißner ist überzeugt, dass es auch künftig Magistralen geben wird, die den täglichen Gütertransport und Pendlerverkehr aufnehmen müssen. Zwischen Theresien- und Kaiserstraße sei die Schwabacher Straße eine Staatsstraße. "Da muss der überörtliche Verkehr abgewickelt werden." Man könne immer darüber nachdenken, den Durchgangsverkehr an der Stadt vorbei zu leiten, so Gleißner. Auch Tempo 30 könne er sich für die Schwabacher Straße vorstellen, weil das der realen Geschwindigkeit näher käme, Abbremsmanöver eindämmte, die Aggression rausnähme, den Schadstoffausstoß reduzierte. Doch ein Rückbau der Straße mit dem Ziel einer Verkehrsreduzierung wäre naiv: "Es käme nur zum Chaos." Eine autofreie Schwabacher Straße? Für Bohlinger ist das eine Utopie, aber auch Leitlinie. Denn angesichts der Diskussionen um Lärm- und Feinstaubbelastung sei Fußgängern, Radfahrern und ÖPNV mehr Raum zu geben.

Mit ihrer Fahrrad-Offensive haben die Fürther Dekane Jörg Sichelstiel ("Wir müssen über unsere Straßen neu verhandeln") und André Hermany Stadtspitze und Bürger kürzlich ermuntert, umzusteigen. Beide forderten drei Fahrradtage pro Jahr, an denen auf Hauptverkehrsachsen je eine Spur für den Radverkehr freizugeben wäre. Oberbürgermeister Thomas Jung kündigte darauf an, die Hauptverkehrsstraßen 2019 einmal "für einige Zeit" dem Radverkehr überlassen zu wollen.

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