Senioren am Steuer: Ist es Zeit für Pflicht-Tests?

8.4.2018, 05:19 Uhr
"So viele Gefühle im Spiel": 238 betagte Autofahrer sind in Fürth seit Anfang 2016 auf Bus und U-Bahn umgestiegen.

© Foto: Felix Kästle/dpa "So viele Gefühle im Spiel": 238 betagte Autofahrer sind in Fürth seit Anfang 2016 auf Bus und U-Bahn umgestiegen.

238 Frauen und Männer haben es getan. Sie sind zum Bürgeramt marschiert, haben ihre Fahrerlaubnis ein für allemal abgegeben und dafür drei Mobicards in Empfang genommen. Damit können sie drei Monate lang an den Wochenenden rund um die Uhr und an Wochentagen ab 9 Uhr mit öffentlichen Verkehrsmitteln durchs Fürther (!) Stadtgebiet gondeln. Das Ticket ist übertragbar und erlaubt es bis zu vier Kinder oder Jugendliche mitzunehmen, etwa die eigenen Enkel.

Stadt und infra führten das Angebot "Fahrschein für Führerschein" Anfang 2016 ein. Das Interesse war groß. Im ersten Jahr griffen 186 Senioren darauf zurück, im zweiten nur noch 45, seit Beginn 2018 kamen bisher sieben "Umsteiger" dazu.

Manfred Rühl (73) ist keiner von ihnen. Der Vorsitzende des ACE-Kreisverbands Fürth-Erlangen will seinem "alten grauen Lappen" in drei bis vier Jahren ein für allemal ade sagen. Noch behält er ihn lieber – "für Notfälle". Manchmal setzt er sich noch ans Steuer, wenn auch nicht seines eigenen Wagens. Den hat er vor Jahren abgeschafft. Rühl fährt schon immer gern Rad. Und von seinem Wohnort Burgfarrnbach kommt er gut mit dem Bus oder Zug in die Fürther Innenstadt. Nur wenn er für seinen Sohn, der Schicht arbeitet, gelegentlich Getränke einkauft, nutzt er dessen Auto.

Beim Thema Auto sind "viele Gefühle im Spiel"

Rühl repräsentiert in Fürth und Umgebung den nach eigenen Angaben zweitgrößten Automobilclub Deutschlands. Trotzdem plädiert er für Seh- und Gesundheitschecks bei Senioren, die Auto fahren, wie es sie in anderen Ländern Europas schon gibt. Denn: Es mache einfach keinen Sinn, sich beim Thema Auto und Führerschein, "wo so viele Gefühle im Spiel sind", auf die Vernunft der Leute zu verlassen.

So sieht das auch Andreas Abele, Leiter der Führerscheinstelle im Straßenverkehrsamt der Stadt. Dass man in Deutschland auf Eigenverantwortlichkeit statt auf Kontrolle setzt, sagt er, "sehe ich eher kritisch". Denn: Auch mit einem Anreiz wie den drei Mobicards erreiche man nur einsichtige Ältere, kaum aber uneinsichtige.

Wie berichtet, fordern Unfallforscher der Versicherer verpflichtende statt der bisher freiwilligen Feedbackfahrten für Autofahrer ab 75 Jahren und Sehtests im Abstand von fünf Jahren (auch für junge Autofahrer). Nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes verursachen über 75-Jährige, die oft nicht mehr gut sehen, hören und über die Schulter schauen können, überproportional viele schwere Unfälle. Sie sind an drei von vier Unfällen mit Toten und Verletzten schuld, an denen sie beteiligt sind. Beim Start des Projekts "Fahrschein statt Führerschein" hatte der frühere Rechtsreferent Christoph Maier junge Hitzköpfe am Steuer als Hauptsorgenkinder genannt, aber auch betont, dass man im Rathaus eine Zunahme altersbedingten Fehlverhaltens im Straßenverkehr beobachte.

Ein Jahresticket "wäre toll" 

2017 kam es in 120 Fällen in Fürth zur Überprüfung der Fahrerlaubnis. 42 betrafen Menschen ab 65. Sieben von ihnen wurde der Führerschein von Amts wegen entzogen, 13 weitere gaben ihn bei angedrohtem Entzug von sich aus ab. Um Unfälle durch Senioren zu verhindern, hielte Abele Kontrollmechanismen analog zu denen bei Lkw- und Busfahrern für sinnvoll, die regelmäßig ihre gesundheitliche Eignung nachweisen müssen.

Und was hält er von einem größeren Anreiz beim Abschied vom eigenen Führerschein? Einem Jahresticket etwa, wie es der Seniorenrat der Stadt ursprünglich angeregt hatte? "Wäre toll", sagt Abele, der weiß, dass manche Interessenten bei der Drei-Monats-Variante abwinken.

Nach der jetzigen Regelung, so infra-Sprecherin Kerstin Sammet, bezahlt die infra-Energie der infra-Verkehrssparte für drei 9-Uhr-Mobicards im Projekt "Fahrschein für Führerschein" 176,10 Euro. Das 9-Uhr-Jahresabo käme auf 312 Euro, wobei der Kunde am Wochenende 24 Stunden und wochentags ab 19 Uhr nur eine weitere Person in Fürth mitnehmen dürfte. Laut Sammet kommt ein großzügigerer Anreiz momentan allerdings nicht infrage. Sie begründet das nicht nur mit der höheren finanziellen Belastung für ihr Unternehmen. "Es wäre vor allem unfair denen gegenüber, die das Angebot zum Umsteigen schon nutzen oder schon genutzt haben."

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