Senioren protestieren in Fürth gegen Wohnungsnot

14.8.2018, 16:00 Uhr
Senioren protestieren in Fürth gegen Wohnungsnot

© Foto: Hans Winckler

Wer am frühen Freitagnachmittag zwischen dem U-Bahnhalt Jakobinenstraße und der Sonnenstraße unterwegs war, bekam etwas zu sehen. Mit Trillerpfeifen und Protestbanner zogen rund 60 Senioren durch die Straßen. "Wer die Rente quält, wird nicht gewählt", war auf einem der Plakate zu lesen. In einem Bollerwagen wurde ein Mülleimer mit Leergut gezogen. Eine Beteiligte: "Zu viele von uns sind auf Pfandsammeln als Einkunftsquelle angewiesen."

Der Demonstrationszug endete im Pfarrzentrum von St. Heinrich. Hier warteten weitere Mitglieder des Bezirksseniorenrats, denen der Marsch in der Hitze zu kräftezehrend war, auf den Beginn der Hauptveranstaltung mit ver.di-Bezirksgeschäftsführer Jürgen Göppner. Er stellte in seiner Rede die Frage: "Gibt es in Bayern noch bezahlbaren Wohnraum?"

"Die Flüchtlingsproblematik", sagte Göppner, "ist lange nicht so schlimm, wie es uns manche Medien und Politiker glauben lassen wollen." Schließlich haben dieses Jahr nur noch knapp 13 400 Geflüchtete Asyl in Bayern beantragt. Stattdessen, so Göppner, solle man sich mit gesellschaftlich brennenderen Themen auseinandersetzen: mit der zunehmenden Kluft zwischen Arm und Reich, der Bildungsungleichheit und dem Pflegenotstand. Auch den Trend zu befristeten Arbeitsverträgen sieht er kritisch.

In Sachen Pflegenotstand fordern derzeit deutschlandweit Politiker, Pfleger, Juristen und Ärzte den Gesetzgeber auf, für mehr Personal zu sorgen. "Das ist nicht nur für Rentner von Interesse. Es kann jedem Menschen passieren, dass man auf Pflege angewiesen ist", sagt Göppner.

Das Hauptaugenmerk legt er aber auf die Wohnungsnot. Göppner führt eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung ins Feld, laut der in deutschen Städten 1,9 Millionen bezahlbare Wohnungen fehlen. Als bezahlbar bewertet die Studie eine Bruttowarmmiete, die weniger als 30 Prozent des Haushaltseinkommens verschlingt. In Nürnberg fehlen 43 000 solcher Wohnungen, in München 79 000. Verstärkt seien Alleinerziehende unterhalb der Armutsgrenze davon betroffen. Auch Singles hätten Probleme, auf dem Wohnungsmarkt fündig zu werden. Die Zahl der Einpersonenhaushalte nahm in den vergangenen Jahren stark zu, die Politik habe es bislang versäumt, auf diese Entwicklung angemessen zu reagieren.

"Jeder Bewohner in Bayern hat einen Anspruch auf eine bezahlbare Wohnung", sagt Göppner und bezieht sich damit auf Artikel 106 der bayerischen Verfassung. Dieses Grundrecht sieht er momentan nicht erfüllt. So hätten 2017 in Nürnberg von 8500 Suchenden nur 1100 eine Sozialwohnung gefunden.

Umdenken gefordert

Es müsse ein Umdenken einsetzen: Statt Platz zu schaffen für weitere Eigentumswohnungen für Gutverdiener, sollten sich die Städteplaner verstärkt auf den sozialen Wohnungsbau konzentrieren. Als positives Beispiel nennt der Redner Österreich. In der Hauptstadt Wien gebe es 420 000 Wohnungen von Gemeindewohnungsbau und gemeinnützigen Trägern – in München seien es nur 60 000, die von den städtischen Wohnungsbaugesellschaften zur Verfügung gestellt werden. Zusätzlich wünscht Göppner, dass die Mietpreisbremse nachgebessert und mieterfreundlicher gestaltet wird.

Sein Appell: "Wohnen ist eine sozial entscheidende Frage des 21. Jahrhunderts. Lasst uns weiter über solche gesellschaftlichen Probleme diskutieren und versuchen, sie zu lösen."

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