Sparsam in der Villa

28.5.2012, 11:00 Uhr
Sparsam in der Villa

© Thomas Scherer

Mit ihren Erkern, den Rundungen und dem Wintergarten im Obergeschoss wirkt die Villa hinter den hohen Mauern der Einfahrt charmant, doch auch ein wenig fremd in einer Welt der eher quader- und würfelförmigen Einfamilienhäuser. 1925 wurde das Schmuckstück erbaut, zu einer Zeit, als die Versorgung von Privathaushalten mit Strom alles andere als selbstverständlich war. Hausfrauen lernten die Vorteile moderner Arbeitshilfen, wie dem „zeit- und kraftsparenden“ AEG-Staubsauger Vampyr, gerade erst zu schätzen. Eine Werbekampagne hatte den Slogan „Elektrizität in jedem Gerät“.

Heute, fast hundert Jahre später, stecken die Bewohner des Hauses am Rand von Veitsbronn ihre Energie in Überlegungen, wie und wo sie Energie einsparen können. Jens Beck kommt aus der Branche. Als Nukleartechniker sorgt der 41-Jährige für funktionierende Maschinen in Atomkraftwerken. Beck verdient also sein Geld mit der Technologie, der Deutschland gerade eine Absage erteilt, und er meint, es gebe auch nach Fukushima gute Gründe für die Atomkraft.

Trotzdem, sagt er beim abendlichen Gespräch auf der Terrasse seines Hauses, gebe es einen gemeinsamen Nenner zwischen ihm und Atomkraftgegnern. „Uns allen geht es darum, den Treibhauseffekt zu minimieren. Dazu aber müssen wir weniger Energie verbrauchen.“

Mit am Tisch sitzt Ehefrau Ulrike Schiller (41), die drei Söhne Silas (9), Samson (7) und Jakob (4) sollen gleich ins Bett. Vorher aber muss der eine noch mit den Gänsen des Nachbarn durch den Garten sausen und der andere zuschauen, wie eine Gans ein Ei legt. Ihr Vater nennt derweil ein paar Zahlen: Bei 200 Quadratmetern Wohnfläche — mit Ölzentralheizung plus zwei Holzöfen — braucht die Familie im Jahr 2300 Liter Heizöl. Mit 3300 Litern habe man angefangen nach dem Einzug vor sechs Jahren, dann aber die Außenwände gedämmt, das Dach isoliert. Den Ölstand liest Beck alle 14 Tage ab, die Daten überträgt er in eine Excel-Tabelle.

Der Kocher flog raus

Mit dem Strom verfährt er genauso. 2500 Kilowattstunden braucht die Familie – kaum mehr als die Hälfte der 4500, die der vierköpfigen deutschen Durchschnittsfamilie üblicherweise zugerechnet werden. „Und selbst da ist noch Luft drin“, sagt Beck. Beim Einkauf heißt das: Nur die sparsamsten Elektrogeräte, die der Markt hergibt, kommen ins Haus. Zuvor wird scharf nachgedacht, ob ein Wäschetrockner sein muss, ob es auch ohne elektrischen Wasserkocher geht... Noch besitzt die Familie keinen Trockner, und den E-Herd hat ein Gasherd abgelöst.

Um Stromfressern auf die Schliche zu kommen, setzt Jens Beck schon mal die Stoppuhr ein. Er weiß daher, dass sein Gasherd länger als der Wasserkocher braucht, um Wasser zum Sieden zu bringen. Trotzdem flog der Kocher raus. Warum? Wegen der Umwandlungsverluste tut es Beck „einfach weh“, aus Strom Wärme zu machen. Als Nächstes will er Stromfresserchen wie Klingel, Telefon und Radiowecker umrüsten — auf Solarbetrieb.

Dass sie im Winter die Türen schließen sollen, wenn sie einen beheizten Raum verlassen, hätten die Kinder schon halbwegs verinnerlicht, sagt Beck augenzwinkernd. Immerhin: „Wenn wir das Haus verlassen“, versichert die Mutter, „fragt mich mein Ältester inzwischen schon, ob noch irgendwas auszuschalten ist.“ Und Samson, der zum Geburtstag kürzlich eine Stereoanlage bekam, weiß ebenso wie Jakob, der Jüngste, dass er nach dem Musikhören den orangenen Ausschalter an der Steckerleiste drücken muss.

Den sorgsamen Umgang mit Strom, findet Schiller, „müssen wir Erwachsene den Kindern beibringen, wie das Trennen von Müll und Wertstoffen“. „Das ist wie mit Opas Kronleuchter“, hakt Beck ein. Gemeint ist der Kristall-Lüster, der über dem großen Esstisch hängt. Ein Erbstück mit zehn Glühlampen à 25 Watt in Kerzenform. Ein geteilter Schalter sorgt dafür, dass meist nur jede zweite Kerze leuchtet. „Und so“, sagt Beck, „hat das auch schon mein Opa gemacht.“

Ulrike Schiller ist bewusst, dass mit Licht oft ein Gefühl von Behaglichkeit erzeugt wird, dass manche Menschen zum Abendspaziergang aufbrechen und Lampen anlassen, um später von einem hellen Haus „empfangen“ zu werden. Die Art Komfort aber vermisst sie nicht. Ebenso wenig brauchen sie und ihr Mann im Winter Temperaturen von 24 Grad im Haus. Wenn draußen Schnee liegt, müsse man innen nicht in kurzer Hose rumlaufen. Vor hundert Jahren haben die Leute das auch nicht gemacht.

Christine Schaller. Energieberaterin der Verbraucherzentrale Nürnberg, meint zu diesem Fall:

Ein Energieverbrauch von umgerechnet 100 Kilowattstunden pro Quadratmeter fürs Heizen ist (ohne Einsatz der Holzöfen) ein toller Wert und entspricht Neubaustandard. Auch der Stromverbrauch der Familie ist extrem niedrig. Der Gasherd hat den Vorteil, dass er ohne energiezehrende Auf- und Nachheizphase auskommt. Und bei Stereoanlage, Fernseher und PC lässt sich durchs Abschalten via Steckerleiste der Standby-Betrieb vermeiden. Pro Jahr und Gerät kann man so bis zu 100 Kilowattstunden Strom oder 20 Euro sparen.