Spieglein, Spieglein

16.9.2017, 17:39 Uhr
Spieglein, Spieglein

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Manche Naturvölker, heißt es, flohen vor der Kamera. Zu groß sei die Angst gewesen, das Foto nehme die Seele mit. In Zeiten von Selfie und Smartphone-Geknipse ein nahezu lächerlicher Gedanke. Oder doch nicht?

"Porträts sind der Ausgangspunkt für alles." Cony Theis sagt das, und vielleicht ist es die beste Definition für das, was sie in ihrem Leben als Zeichnerin, Malerin und Fotografin antreibt. In der kunst galerie am Königsplatz lässt sich jetzt erkennen, wie weit die 59-Jährige den Bogen spannt. Ihre Annäherung an fremde oder das eigene Konterfei gleicht einem Blick durch ein Kaleidoskop. Kein Aspekt, so scheint es, der Theis durchgeht. Sie nimmt Porträts frontal, zerstört sie, lässt andere sich einmischen, arrangiert und maskiert.

Zum Zentrum der Ausstellung wird ihre Zeichnung "Zeit bahnen". Das liegt zunächst einmal ganz schlicht an der alles beherrschenden Größe der zehn Bögen aus Transparentpapier, die in der Halle locker vom Boden bis zur Decke reichen. Wer näher tritt, verliert sich schnell in kleinteiligen Details. Szenen eines Kinderlebens, Reisen, Ideen, Schmerzen, Hoffnungen – mit entblößender Offenheit dokumentiert die Künstlerin ihr Dasein. Vor acht Jahren begonnen, ist die Arbeit bis heute noch im Entstehen. Die jüngsten Beiträge drehen sich um Pläne, Zukunftsprojekte. Sie schweben in Luftballons heran, vermitteln das Gefühl einer jüngst gewonnenen Leichtigkeit.

Brautkleid aus Papier

Von der gegenüberliegenden Wand tritt Cony Theis ihrem eigenen Lebens-Lauf als Braut gegenüber. Eine Arbeit, umfassend und vielschichtig. Zunächst ist da das Bild der Künstlerin im weißen Kleid. Geschaffen wurde das symbolträchtige Gewand aus Papier, dem Stoff, auf den später gedruckt wurde.

Das Objekt für die künftige Hoch-Zeit zu zweit bleibt unsichtbar. Dafür gab Theis Freunden die Chance, ihr bräutliches Abbild in die Hand zu nehmen. "Vervollständigen" nennt sie spontan diesen Vorgang. Allerdings lässt der erste Umgestalter sie gleich einmal verschwinden. Über der Braut liegt nun komplett ein Foto von John Wayne mit seinen Kumpels. Ein Bild von einem Mann immerhin. . .

Bei der Suche nach dem tiefsten Wirkgrund eines persönlichen Abbilds geht Cony Theis weit. Wie radikal ihre Herangehensweise ist, verdeutlicht die Aufgabenstellung, die sie als Dozentin ihren Studenten gestellt hat. Zunächst ließ sie sich porträtieren, um im Anschluss sämtliche Bildnisse zerfetzen zu lassen. Was von den Sitzungen übrigblieb, hängt nun als ovales Papier-Objekt an der Wand und trägt den völlig einleuchtenden Namen "Spieglein".

Freilich kann es nicht ausbleiben, dass sich im weiten Feld der Möglichkeiten auch die Frage nach Masken und Verstecken auftut. Theis zeigt sich mit Rasierschaum am bartlosen Kinn oder mit beängstigender Gesichtsbemalung. Bei ihr mutet das – anders als etwa bei Cindy Sherman – nicht wie ein Kostüm an. Vordergründig geht es nicht um Rollen, sondern ganz bewusst um Identität. Wer ist diese Person da? Und wie viele kann sie aus sich heraus noch sein?

Die Vielschichtigkeit der Schau wird auf der oberen Galerie-Etage fortgesetzt. Die Porträts dort entstanden als Doppel-Bildnisse mit Patienten einer forensischen Klinik. Sie malten Theis, bevor sie ihr selbst Model saßen. Es sind Zeugnisse einer wortlosen Nähe, beseelte Bilder, die dem Betrachter viel mehr offenbaren als bloß irgendwelche Gesichtszüge.

"Cony Theis — Selbst/Porträt": kunst galerie fürth (Königsplatz 1). Eröffnung am Sonntag, 11 Uhr (Einführung: Rebecca Suttner). Bis 29. Oktober. Zur Ausstellung erscheint eine kostenlose Besucherinformation. Führungen und Veranstaltungen unter www.kunst-galerie-fuerth.de

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