Stadthalle Fürth: Höllenfahrt mit himmlischen Szenen

19.7.2017, 18:18 Uhr
Stadthalle Fürth: Höllenfahrt mit himmlischen Szenen

© Foto: Hans-Joachim Winckler

"Faust" als Ballett, warum nicht. An Liebes- und Beschwörungsszenen herrscht kein Mangel, für größeres Bühnengewusel sorgen Hexenküche und Blocksberg, und die Geschichte ist derart bekannt, dass sie sich auch rein tänzerisch-pantomimisch erzählen lässt. Indes, Ballettschul-Chefin Daniela Maria Argentato-Seiler wollte gleich beide Teile von Goethes Klassiker wuchten. Also nicht nur die Gretchentragödie, sondern obendrein den schwer verständlichen, nur noch humanistisch Hochgebildeten zugänglichen zweiten Teil, der Faust und Mephisto durch Raum und Zeit führt mitsamt antikem Erbe, frühkapitalistischer Kritik und bizarrer, an Science Fiction gemahnender wissenschaftlicher Experimentalküche.

Den größten Teil der zahlreichen Tänzerinnen und Tänzer machen Kinder und Jugendliche aus, die als einfaches Volk, Hexen und Engel, Ratten (sehr putzig die Rattenbuben) und Höllenbrut, antike Schönheiten und barocke Hofdamen einfallsreich drapiert in Gruppenszenen tanzen. Um das zu packen, bedurfte es der Einstudierung durch sieben Choreograf(inn)en. Helle Begeisterung im Saal. Wer aber eine eigenständige Interpretation der Dramen erwartet, der wartet vergebens. Faust (Sebastian Solich) erzählt seine Geschichte aus höherer Warte in freien Worten wie ein Märchenerzähler, ebenso Mephisto (Artur Peschel, der mit infernalisch-akrobatischem Breakdance beeindruckt). Ab und zu ein Goethezitat, mehr Texttreue tut an einem Familien-Nachmittag wie diesem nicht not.

Die Gretchentragödie, das Werben Fausts um die Unschuld vom Lande (Laura Seiler) und der schmähliche Verrat gehen in Ensembleszenen mit schmucken Dorfmädeln zwar fast unter, schön anzusehen ist es aber allemal. Desgleichen die Szenen aus "Faust II". Hier sind die Akteure wie schon im ersten Teil quicklebendig vor einer Leinwand unterwegs, auf die Bilder projiziert werden, etwa Rokoko-Festsaal, griechische Tempelruinen oder Fausts Bibliothek. Am interessantesten gelingt die Homunculus-Szene, die die vernetzte Straßen-Jugend von heute als scheinbar hochinformierte und doch beschränkte Wesen präsentiert. Die Musikauswahl ist kunterbunt: Von Tschaikowski über Fauré, amerikanischer Folklore und Popsongs bis zum "Ave Maria" für die Himmelfahrt ist alles geboten.

Fazit: "Faust" ist in dieser Adaption ein Stichwortgeber für eine kunterbunte Fülle an Gruppenballettszenen, die artistisch dargeboten werden. Viel fürs Auge und Ohr. Und auf dem Blocksberg tanzen die Hexen Flamenco.

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