Stadttheater: Fort mit den grimmigen Grimms!

10.12.2017, 10:00 Uhr
Stadttheater: Fort mit den grimmigen Grimms!

© Foto: Ulrich Schuster

Äh, nicht wahr jetzt, oder? Schlag nach bei den Brüdern Grimm, und die Horror-DVD-Sammlung hat Pause. Sieben Leichen, die an Galgen baumeln. Erschlagene Katzen. Ein Menschenschädel, mit filigraner Hand zur Kegelkugel geschliffen. Frohe Weihnachten, ihr Lieben, Märchen sind doch was Wunderbares, nicht?

Aber all das und noch einiges mehr kommt nun mal vor im Märchen "Von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen" — weswegen sich Intendant Werner Müller tief, sehr tief über den Text beugte, den Kult-Chef Thomas Stang ihm mit Begeisterung anempfohlen hatte. Es ist nämlich so, dass auch Intendanten sich fürchten. Zum Beispiel vor heulenden Grundschulklassen, erbosten Lehrerinnen und Eltern, deren Mails mit "Dies war das erste und letzte Mal, dass wir. . ." beginnen.

Und natürlich kommt ab diesem Sonntag alles anders — ganz, ganz anders. "Das Grimm-Teil wäre wirklich sehr gruslig, das geht gar nicht", sagt Gerd Beyer. Nach dem furiosen, zu Herzen gehenden Klassenzimmerstück "Fluchtwege" darf der Schauspieler und Regisseur erneut ran und in Diensten des Stadttheaters (sowie anstelle des Elternzeit genießenden Stang) inszenieren. Die Schauspielfassung des Märchens von Michail Bartenjew und Jutta Schubert nimmt dem brutalen Stoff alles Finstere und gibt stattdessen einer sehr schönen Tugend Vorfahrt: Empathie. Mitfühlen. Entdecken, was in anderen, uns ans Herz gewachsenen Menschen vor sich geht. Müller gab grünes Licht.

Ein Leben im Hier und Jetzt

Ein Grund dürfte sein, dass das Stück alles auf den Kopf stellt, was bei den Grimms noch für offenes Unbehagen sorgte. Denn im Schauspiel ums Fürchtenlernen hat der Spaß extra viel Platz. Nicht einen Bruder wie bei den Grimms, sondern zwei hat übrigens der jüngste Spross, den anscheinend überhaupt nichts Schauderhaftes — auch nicht Sunna Hettinger, die gleich sechs Rollen hat — aus den Schuhen haut. Jördis Trauer, neu im Kult-Ensemble, spielt diesen Buben, der, so Beyer, "wie ein Kindergartenkind im Hier und Jetzt lebt".

Die Brüder wiederum — neben Tristan Fabian ein weiterer Neuer: Boris Keil — lassen sich so einiges einfallen, um dem Kleinsten Gänsehaut zu bereiten. Dabei sind sie selbst es, die die Hosen randvoll haben und bei der Gelegenheit von einer Slapstick-Katastrophe in die nächste schlittern. Bei den beiden, die auch moderierend durch das Stück geleiten, habe er, sagt Beyer, sofort an zwei gedacht, die in der Tollpatsch-Walhalla seit Jahrzehnten Ehrenplätze haben: Stan und Ollie. Ähnlichkeiten mit den Herren sind hier also nicht ganz zufällig.

Was nicht heißen soll, dass das Thema Fürchten rundweg vom Thema Schieflachen abgelöst wird. Ausstatterin Angela Loewen: "Wir entschärfen den Märchenstoff, weil wir die Theatermittel offen zeigen." Die kleinen Theatergänger kriegen etwa gezeigt, wie die großen Brüder sich schminken und wie der vermeintliche Grusel zur ziemlich verpeilten Gruselshow gerät. Für Schüler ab der ersten Klasse ist diese Produktion geeignet.

Eine Extradosis Vorweihnachts-Behaglichkeit brauche es dennoch nicht, meint Beyer. "Wir wollen den Kindern nichts Vorverdautes zeigen, sondern Räume öffnen für ihre Phantasie. Wir trauen ihnen was zu." "Nur Mut" lautet schließlich das Saisonmotto des Stadttheaters. Und wie heißt es alle Jahre wieder? Fürchtet euch nicht!

"Von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen": Premiere Sonntag, 18 Uhr, Stadttheater. Termine für Schulklassen: 11. bis 21. Dezember. Weitere Termine für alle: 17. (15 Uhr), 25. (18 Uhr) und 26. Dezember (15 Uhr). Karten im FN-Ticket-Point (Schwabacher Straße 106, Tel. 2 16 27 77) und an der Theaterkasse.

Verwandte Themen


Keine Kommentare